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Ijobs Rechtschaffenheit: 1,1–5
1 Im Lande Uz lebte ein Mann mit Namen Ijob. Dieser Mann war untadelig und rechtschaffen; er fürchtete Gott und mied das Böse.
2 Sieben Söhne und drei Töchter wurden ihm geboren.
3 Er besaß siebentausend Stück Kleinvieh, dreitausend Kamele, fünfhundert Joch Rinder und fünfhundert Eselinnen, dazu zahlreiches Gesinde. An Ansehen übertraf dieser Mann alle Bewohner des Ostens.
4 Seine Söhne aber pflegten Gastmähler zu halten, ein jeder an seinem Tag in seinem Haus. Sie schickten hin und luden ihre drei Schwestern ein, mit ihnen zu essen und zu trinken.
5 Wenn die Tage des Gastmahls vorbei waren, schickte Ijob hin und entsühnte sie. Früh am Morgen stand er auf und brachte so viele Brandopfer dar, wie er Kinder hatte. Denn Ijob sagte sich: Vielleicht haben meine Kinder gesündigt und Gott gesegnet in ihrem Herzen. So tat Ijob alle Tage.
Erste Bewährungsprobe: Verlust des Reichtums: 1,6–22
6 Nun geschah es eines Tages, da kamen die Gottessöhne, um vor den HERRN hinzutreten; unter ihnen kam auch der Satan.
7 Der HERR sprach zum Satan: Woher kommst du? Der Satan antwortete dem HERRN und sprach: Die Erde habe ich durchstreift, hin und her.
8 Der HERR sprach zum Satan: Hast du auf meinen Knecht Ijob geachtet? Seinesgleichen gibt es nicht auf der Erde: ein Mann untadelig und rechtschaffen, er fürchtet Gott und meidet das Böse.
9 Der Satan antwortete dem HERRN und sagte: Geschieht es ohne Grund, dass Ijob Gott fürchtet?
10 Bist du es nicht, der ihn, sein Haus und all das Seine ringsum beschützt? Das Tun seiner Hände hast du gesegnet; sein Besitz hat sich weit ausgebreitet im Land.
11 Aber streck nur deine Hand gegen ihn aus und rühr an all das, was sein ist; wahrhaftig, er wird dich ins Angesicht segnen.
12 Der HERR sprach zum Satan: Gut, all sein Besitz ist in deiner Hand, nur gegen ihn selbst streck deine Hand nicht aus! Darauf ging der Satan weg vom Angesicht des HERRN.
13 Nun geschah es eines Tages, dass seine Söhne und Töchter im Haus ihres erstgeborenen Bruders aßen und Wein tranken.
14 Da kam ein Bote zu Ijob und meldete: Die Rinder waren beim Pflügen und die Eselinnen weideten daneben.
15 Da fielen Sabäer ein, nahmen sie weg und erschlugen die Knechte mit scharfem Schwert. Ich ganz allein bin entronnen, um es dir zu berichten.
16 Noch ist dieser am Reden, da kommt schon ein anderer und sagt: Feuer Gottes fiel vom Himmel, schlug brennend ein in die Schafe und Knechte und verzehrte sie. Ich ganz allein bin entronnen, um es dir zu berichten.
17 Noch ist dieser am Reden, da kommt schon ein anderer und sagt: Die Chaldäer stellten drei Rotten auf, fielen über die Kamele her, nahmen sie weg und erschlugen die Knechte mit scharfem Schwert. Ich ganz allein bin entronnen, um es dir zu berichten.
18 Noch ist dieser am Reden, da kommt schon ein anderer und sagt: Deine Söhne und Töchter aßen und tranken Wein im Haus ihres erstgeborenen Bruders.
19 Da kam ein gewaltiger Wind über die Wüste und packte das Haus an allen vier Ecken; es stürzte über die jungen Leute und sie starben. Ich ganz allein bin entronnen, um es dir zu berichten.
20 Da stand Ijob auf, zerriss sein Gewand, schor sich das Haupt, fiel auf die Erde, betete an
21 und sprach: Nackt kam ich hervor aus dem Schoß meiner Mutter; / nackt kehre ich dahin zurück. / Der HERR hat gegeben, der HERR hat genommen; / gelobt sei der Name des HERRN.
22 Bei alldem sündigte Ijob nicht und gab Gott keinen Anstoß.
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Zweite Bewährungsprobe: Verlust der Gesundheit: 2,1–10
1 Nun geschah es eines Tages, da kamen die Gottessöhne, um vor den HERRN hinzutreten; unter ihnen kam auch der Satan, um vor den HERRN hinzutreten.
2 Da sprach der HERR zum Satan: Woher kommst du? Der Satan antwortete dem HERRN: Die Erde habe ich durchstreift, hin und her.
3 Der HERR sprach zum Satan: Hast du auf meinen Knecht Ijob geachtet? Seinesgleichen gibt es nicht auf der Erde: ein Mann untadelig und rechtschaffen; er fürchtet Gott und meidet das Böse. Noch immer hält er fest an seiner Frömmigkeit, obwohl du mich gegen ihn aufgereizt hast, ihn ohne Grund zu verderben.
4 Der Satan antwortete dem HERRN und sagte: Haut um Haut! Alles, was der Mensch besitzt, gibt er hin für sein Leben.
5 Doch streck deine Hand aus und rühr an sein Gebein und Fleisch; wahrhaftig, er wird dich ins Angesicht segnen.
6 Da sprach der HERR zum Satan: Gut, er ist in deiner Hand. Nur schone sein Leben!
7 Der Satan ging weg vom Angesicht Gottes und schlug Ijob mit bösartigem Geschwür von der Fußsohle bis zum Scheitel.
8 Da nahm er sich eine Tonscherbe, um sich damit zu schaben, während er mitten in der Asche saß.
9 Seine Frau sagte zu ihm: Hältst du immer noch fest an deiner Frömmigkeit? Segne Gott und stirb!
10 Er aber sprach zu ihr: Wie eine Törin redet, so redest du. Nehmen wir das Gute an von Gott, sollen wir dann nicht auch das Böse annehmen? Bei alldem sündigte Ijob nicht mit seinen Lippen.
Besuch der Freunde: 2,11–13
11 Die drei Freunde Ijobs hörten von all dem Bösen, das über ihn gekommen war. Und sie kamen, jeder aus seiner Heimat: Elifas aus Teman, Bildad aus Schuach und Zofar aus Naama. Sie vereinbarten hinzugehen, um ihm ihre Teilnahme zu bezeigen und um ihn zu trösten.
12 Als sie von fern aufblickten, erkannten sie ihn nicht; sie schrien auf und weinten. Jeder zerriss sein Gewand; sie streuten Asche über ihr Haupt gegen den Himmel.
13 Sie saßen bei ihm auf der Erde sieben Tage und sieben Nächte und keiner sprach ein Wort zu ihm. Denn sie sahen, dass der Schmerz sehr groß war.
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Last des Lebens: 3,1–26
1 Danach tat Ijob seinen Mund auf und verfluchte seinen Tag.
2 Ijob ergriff das Wort und sprach:
3 Ausgelöscht sei der Tag, an dem ich geboren bin, / die Nacht, die sprach: Ein Knabe ist empfangen.
4 Jener Tag werde Finsternis, / nie frage Gott von oben nach ihm, / nicht leuchte über ihm des Tages Licht.
5 Einfordern sollen ihn Finsternis und Todesschatten, / Gewölk über ihn sich lagern, / Verfinsterung am Tag mache ihn schrecklich.
6 Jene Nacht, das Dunkel raffe sie hinweg, / sie reihe sich nicht in die Tage des Jahres, / sie gehe nicht ein in die Zahl der Monde.
7 Ja, diese Nacht sei unfruchtbar, / kein Jubel komme auf in ihr.
8 Verwünschen sollen sie die Verflucher der Tage, / die es verstehen, den Levíatan zu wecken.
9 Verfinstert seien ihrer Dämmerung Sterne; / sie harre auf Licht, jedoch umsonst; / die Lider der Morgenröte schaue sie nicht.
10 Denn sie hat die Pforten / an meiner Mutter Leib nicht verschlossen, / nicht das Leid verborgen vor meinen Augen.
11 Warum starb ich nicht vom Mutterschoß weg, / kam ich aus dem Mutterleib und verschied nicht gleich?
12 Weshalb nur kamen Knie mir entgegen, / wozu Brüste, dass ich daran trank?
13 Still läge ich jetzt und könnte rasten, / entschlafen wäre ich und hätte Ruhe,
14 bei Königen, bei Ratsherren im Land, / die Grabkammern für sich erbauten,
15 oder bei Fürsten, reich an Gold, / die ihre Häuser mit Silber gefüllt.
16 Wie die verscharrte Fehlgeburt wäre ich nicht mehr, / Kindern gleich, die das Licht nie geschaut.
17 Dort hören Frevler auf zu toben, / dort ruhen aus, deren Kraft erschöpft ist.
18 Auch Gefangene sind frei von Sorgen, / hören nicht mehr die Stimme des Treibers.
19 Klein und Groß ist dort beisammen, / der Sklave ist frei von seinem Herrn.
20 Warum schenkt er dem Elenden Licht / und Leben denen, die verbittert sind?
21 Sie warten auf den Tod, doch er kommt nicht, / sie suchen ihn mehr als verborgene Schätze.
22 Sie würden sich freuen und jubeln, / sie würden frohlocken, fänden sie ein Grab.
23 Wozu Licht für den Mann auf verborgenem Weg, / den Gott von allen Seiten einschließt?
24 Bevor ich noch esse, kommt mir das Seufzen, / wie Wasser strömen meine Klagen hin.
25 Was mich erschreckte, das hat mich getroffen, / wovor mir bangte, das kam über mich.
26 Noch hatte ich nicht Frieden, nicht Rast, nicht Ruhe, / da kam neues Ungemach heran.
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Vergeltung: 4,1–11
1 Da antwortete Elifas von Teman und sprach:
2 Versucht man ein Wort an dich, ist es dir lästig? / Doch die Rede aufzuhalten, wer vermag es?
3 Siehe, viele hast du unterwiesen / und erschlaffte Hände stark gemacht.
4 Dem Strauchelnden halfen deine Worte auf, / wankenden Knien gabst du Halt.
5 Nun kommt es über dich, da gibst du auf, / nun fasst es dich an, da bist du verstört.
6 Ist deine Gottesfurcht nicht deine Zuversicht, / dein lauterer Lebensweg nicht deine Hoffnung?
7 Bedenk doch! Wer geht ohne Schuld zugrunde? / Wo werden Redliche im Stich gelassen?
8 Wohin ich schaue: Wer Unrecht pflügt, / wer Unheil sät, der erntet es auch.
9 Durch Gottes Atem gehen sie zugrunde, / sie schwinden hin vor dem Hauch seines Zornes.
10 Des Löwen Brüllen, des Leuen Knurren, / der Junglöwen Zähne werden enttäuscht.
11 Der Löwe verendet aus Mangel an Beute, / die Jungen der Löwin zerstreuen sich.
Ein Traum: 4,12–21
12 Zu mir hat sich ein Wort gestohlen, / mein Ohr vernahm davon ein Flüstern.
13 Im Grübeln und bei Nachtgesichten, / wenn tiefer Schlaf die Menschen überfällt,
14 kam Furcht und Zittern über mich / und ließ erschaudern alle meine Glieder.
15 Ein Geist schwebt an meinem Gesicht vorüber, / die Haare meines Leibes sträuben sich.
16 Er steht, ich kann sein Aussehen nicht erkennen, / eine Gestalt nur vor meinen Augen, / ich höre eine Stimme flüstern:
17 Ist wohl ein Mensch vor Gott gerecht, / ein Mann vor seinem Schöpfer rein?
18 Selbst seinen Dienern traut er nicht, / zeiht seine Engel noch des Irrtums.
19 Wie erst jene, die in Lehmhäusern wohnen, / die auf den Staub gegründet sind; / leichter als eine Motte zerdrückt man sie.
20 Vom Morgen bis zum Abend werden sie zerschlagen, / für immer gehen sie zugrunde, unbeachtet.
21 Wird nicht das Zelt über ihnen abgebrochen, / sodass sie sterben ohne Weisheit?
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Verantwortlichkeit des Menschen: 5,1–7
1 Ruf doch! Ist einer, der dir Antwort gibt? / An wen von den Heiligen willst du dich wenden?
2 Den Toren bringt der Ärger um, / Leidenschaft tötet den Narren.
3 Wohl sah ich einen Toren Wurzel fassen, / doch plötzlich musste ich seine Wohnstatt verwünschen.
4 Weit weg vom Heil sind seine Kinder, / werden zertreten im Tor, sind ohne Helfer.
5 Seine Ernte verzehrt der Hungernde, / selbst aus Dornen holt er sie heraus, / Durstige lechzen nach seinem Gut.
6 Denn nicht aus dem Staub geht Unheil hervor, / nicht aus dem Ackerboden sprosst die Mühsal,
7 sondern der Mensch ist zur Mühsal geboren, / wie Feuerfunken nach oben fliegen.
Unterwerfung unter Gott: 5,8–16
8 Ich aber, ich würde Gott befragen / und Gott meine Sache vorlegen,
9 der Großes und Unergründliches tut, / Wunder, die niemand zählen kann.
10 Er spendet Regen über die Erde hin / und sendet Wasser auf die weiten Fluren,
11 um Niedrige zu erhöhen, / damit Trauernde glücklich werden.
12 Er zerbricht die Ränke der Listigen, / damit ihre Hände nichts Rechtes vollbringen.
13 Weise fängt er in ihrer List, / der Plan der Schlauen überstürzt sich.
14 Am hellen Tag stoßen sie auf Finsternis, / am Mittag tappen sie umher wie in der Nacht.
15 Er aber rettet vor dem Schwert ihres Mundes, / aus der Hand des Starken den Armen.
16 So wird dem Geringen Hoffnung zuteil, / die Bosheit muss ihr Maul verschließen.
Leidenspädagogik Gottes: 5,17–27
17 Ja, selig der Mensch, den Gott zurechtweist. / Die Zucht des Allmächtigen verschmähe nicht!
18 Denn er verwundet und er verbindet, / er schlägt, doch seine Hände heilen auch.
19 In sechs Drangsalen wird er dich retten, / in sieben rührt kein Leid dich an.
20 In Hungerzeiten rettet er dich vom Tod, / im Krieg aus der Gewalt des Schwertes.
21 Du bist geborgen vor der Geißel der Zunge, / brauchst nicht zu bangen, wenn Verwüstung kommt.
22 Über Verwüstung und Hunger kannst du lachen, / von wilden Tieren hast du nichts zu fürchten.
23 Mit den Steinen des Feldes bist du verbündet, / die Tiere des Feldes werden Frieden mit dir halten.
24 Du wirst erfahren, dass dein Zelt in Frieden bleibt; / prüfst du dein Heim, so fehlt dir nichts.
25 Du wirst erfahren, dass deine Nachkommen zahlreich sind, / deine Sprösslinge wie das Gras der Erde.
26 Bei voller Kraft steigst du ins Grab, / wie man Garben einbringt zu ihrer Zeit.
27 Siehe, das haben wir erforscht, so ist es. / Wir haben es gehört. Nimm auch du es an!
6
Das unerträgliche Los: 6,1–13
1 Da antwortete Ijob und sprach:
2 Ach, würde doch mein Gram gewogen, / legte man auf die Waage auch mein Leid!
3 Denn nun ist es schwerer als der Sand des Meeres, / darum waren meine Worte unbedacht.
4 Die Pfeile des Allmächtigen stecken in mir, / mein Geist hat ihr Gift getrunken, / Gottes Schrecken stellen sich gegen mich.
5 Schreit denn der Wildesel, wenn er Gras hat, / oder brüllt das Rind, wenn es sein Futter hat?
6 Isst man denn ungesalzene Speise? / Wer hat Geschmack an fadem Schleim?
7 Ich sträube mich, daran zu rühren, / das alles ist mir wie verdorbenes Brot.
8 Käme doch, was ich begehre, / und gäbe Gott, was ich erhoffe.
9 Und wollte Gott mich doch zermalmen, / seine Hand erheben, um mich abzuschneiden;
10 das wäre noch ein Trost für mich; / ich hüpfte auf im Leid, mit dem er mich nicht schont. / Denn ich habe die Worte des Heiligen nicht verleugnet.
11 Was ist meine Kraft, dass ich aushalten könnte, / wann kommt mein Ende, dass ich mich gedulde?
12 Ist meine Kraft denn Felsenkraft, / ist mein Fleisch denn aus Erz?
13 Gibt es keine Hilfe mehr für mich, / ist mir jede Rettung entschwunden?
Enttäuschung über die Freunde: 6,14–30
14 Des Freundes Liebe gehört dem Verzagten,/ auch wenn er den Allmächtigen nicht mehr fürchtet.
15 Meine Brüder sind trügerisch wie ein Bach, / wie Wasserläufe, die verrinnen;
16 trüb sind sie vom Eis, / wenn über ihnen der Schnee schmilzt.
17 Zur Zeit der Hitze versiegen sie; / wenn es heiß wird, verdunsten sie in ihrem Bett.
18 Sie biegen ab von ihrem Weg, / laufen in die Wüste und kommen um.
19 Nach ihnen spähten Karawanen aus Tema, / auf sie hofften Handelszüge aus Saba.
20 Sie wurden zuschanden, weil sie vertrauten, / sie kamen an und waren enttäuscht.
21 So seid ihr jetzt ein Nein geworden: / Ihr schaut das Entsetzliche und schaudert.
22 Habe ich denn gesagt: Gebt mir etwas, / von eurem Vermögen zahlt für mich
23 und rettet mich aus dem Griff des Bedrängers / und kauft mich los aus der Hand der Tyrannen!?
24 Belehrt mich, so werde ich schweigen, / worin ich fehlte, macht mir klar!
25 Wie können redliche Worte kränken, / was kann euer Tadel rügen?
26 Gedenkt ihr, Worte zu tadeln? / Spricht der Verzweifelte in den Wind?
27 Selbst um ein Waisenkind würdet ihr würfeln, / sogar euren Freund verschachern.
28 Habt endlich die Güte, wendet euch mir zu, / ich lüge euch nicht ins Gesicht.
29 Kehrt um, kein Unrecht soll geschehen, / kehrt um, noch bin ich im Recht.
30 Ist denn Unrecht auf meiner Zunge / oder schmeckt mein Gaumen das Schlechte nicht?
7
Not des Lebens: 7,1–11
1 Ist nicht Kriegsdienst des Menschen Leben auf der Erde? / Sind nicht seine Tage die eines Tagelöhners?
2 Wie ein Knecht ist er, der nach Schatten lechzt, / wie ein Tagelöhner, der auf seinen Lohn wartet.
3 So wurden Monde voll Enttäuschung mein Erbe / und Nächte voller Mühsal teilte man mir zu.
4 Lege ich mich nieder, sage ich: / Wann darf ich aufstehn? / Wird es Abend, bin ich gesättigt mit Unrast, bis es dämmert.
5 Mein Leib ist gekleidet in Maden und Schorf, / meine Haut schrumpft und eitert.
6 Schneller als das Weberschiffchen eilen meine Tage, / sie gehen zu Ende, ohne Hoffnung.
7 Denk daran, dass mein Leben nur ein Hauch ist! / Nie mehr schaut mein Auge Glück.
8 Kein Auge gewahrt mich, das nach mir sieht, / suchen mich deine Augen, dann bin ich nicht mehr da.
9 Wie die Wolke, die entschwand und dahinzog, / so steigt nie mehr auf, wer zur Unterwelt hinabstieg.
10 Nie mehr kehrt er zurück in sein Haus, / nie mehr erblickt ihn sein Ort.
11 So will auch ich meinen Mund nicht zügeln, / mit bedrängtem Geist will ich reden, / mit betrübter Seele will ich klagen.
Unbegreifliche Heimsuchung: 7,12–21
12 Bin ich das Meer, der Meeresdrache, / dass du gegen mich eine Wache stellst?
13 Sagte ich: Mein Lager soll mich trösten, / mein Bett trage das Leid mit mir!,
14 so quältest du mich mit Träumen / und mit Gesichten jagtest du mich in Angst.
15 Erwürgt zu werden, zöge ich vor, / den Tod meinem Totengerippe.
16 Ich mag nicht mehr, ich will nicht ewig leben. / Lass ab von mir, denn nur ein Hauch sind meine Tage!
17 Was ist der Mensch, dass du groß ihn achtest / und deinen Sinn auf ihn richtest,
18 dass du ihn musterst jeden Morgen / und jeden Augenblick ihn prüfst?
19 Wie lange schon schaust du nicht weg von mir, / lässt mich nicht los, sodass ich meinen Speichel schlucke?
20 Habe ich gefehlt? / Was tat ich dir, du Menschenwächter? / Warum hast du mich zu deiner Zielscheibe gemacht, / sodass ich mir selbst zu einer Last geworden bin?
21 Warum nimmst du mein Vergehen nicht weg, / lässt du meine Schuld nicht nach? / Nun denn - zum Staub bette ich mich, / und suchst du mich, dann bin ich nicht mehr da.
8
Gesetz der Vergeltung: 8,1–7
1 Da antwortete Bildad von Schuach und sprach:
2 Wie lange noch willst du derlei reden? / Nur heftiger Wind sind die Worte deines Mundes.
3 Beugt etwa Gott das Recht / oder beugt der Allmächtige die Gerechtigkeit?
4 Haben deine Kinder gefehlt gegen ihn, / gab er sie der Gewalt ihres Frevels preis.
5 Wenn du mit Eifer Gott suchst, / an den Allmächtigen dich flehend wendest,
6 wenn du rein bist und recht, / dann wird er über dich wachen / und dein Heim wiederherstellen, wie es dir zusteht.
7 Und war dein Anfang auch gering, / dein Ende wird gewaltig groß.
Zeugnis der Erfahrung: 8,8–22
8 Ja, frag nur das frühere Geschlecht / und merk dir, was die Väter erforschten!
9 Wir sind von gestern nur und wissen nichts, / wie Schatten sind auf Erden unsre Tage.
10 Unterweisen sie dich nicht, sprechen sie nicht zu dir, / geben sie dir nicht Worte aus ihrem Herzen?
11 Wächst ohne Sumpf das Schilfrohr hoch, / wird Riedgras ohne Wasser groß?
12 In Blüte und noch nicht gemäht, / verwelkt es schon vor allem Gras.
13 So sind die Wege aller, die Gott vergessen, / so wird die Hoffnung des Ruchlosen zunichte.
14 Ein zartes Gewebe ist seine Zuversicht, / ein Spinnennetz ist sein Vertrauen.
15 Er verlässt sich auf sein Haus, doch es hält nicht stand, / er klammert sich daran, doch es bleibt nicht stehen.
16 In vollem Saft steht er vor der Sonne, / seine Zweige überwuchern seinen Garten,
17 im Geröll verflechten sich seine Wurzeln, / zwischen Steinen halten sie sich fest.
18 Tilgt man ihn aus an seiner Stätte, / verleugnet sie ihn: Nie habe ich dich gesehen.
19 Siehe, das ist die Freude seines Weges / und andere sprossen aus dem Staub.
20 Siehe, Gott verschmäht den Schuldlosen nicht, / die Hand der Boshaften aber hält er nicht fest.
21 Mit Lachen wird er deinen Mund noch füllen, / deine Lippen mit Jubel.
22 Deine Hasser werden sich kleiden in Schmach, / das Zelt der Frevler besteht nicht mehr.
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Gottes Macht und die Ohnmacht des Menschen: 9,1–35
1 Da antwortete Ijob und sprach:
2 Wahrhaftig weiß ich, dass es so ist: / Wie wäre ein Mensch bei Gott im Recht!
3 Wenn er mit ihm rechten wollte, / nicht auf eins von tausend könnte er ihm Antwort geben.
4 Weisen Sinnes und stark an Macht - / wer böte ihm Trotz und bliebe heil?
5 Er versetzt Berge; sie merken es nicht, / dass er in seinem Zorn sie umstürzt.
6 Er erschüttert die Erde an ihrem Ort, / sodass ihre Säulen erzittern.
7 Er spricht zur Sonne, sodass sie nicht strahlt, / er versiegelt die Sterne.
8 Er spannt allein den Himmel aus / und schreitet einher auf den Höhen des Meeres.
9 Er macht das Sternbild des Bären, den Orion, / das Siebengestirn, die Kammern des Südens.
10 Er macht so Großes, es ist nicht zu erforschen, / Wunderdinge, sie sind nicht zu zählen.
11 Zieht er an mir vorüber, ich sehe ihn nicht, / fährt er daher, ich bemerke ihn nicht.
12 Rafft er hinweg, wer hält ihn zurück? / Wer darf zu ihm sagen: Was machst du da?
13 Gott hält seinen Zorn nicht zurück, / unter ihm mussten selbst Rahabs Helfer sich beugen.
14 Wie sollte denn ich ihm Antwort geben, / wie meine Worte gegen ihn wählen?
15 Und wäre ich im Recht, ich könnte nicht antworten, / um Gnade müsste ich bei meinem Richter flehen.
16 Wollte ich rufen, würde er mir Antwort geben? / Ich glaube nicht, dass er auf meine Stimme hört.
17 Er, der im Sturm mich niedertritt, / ohne Grund meine Wunden mehrt,
18 er lässt mich nicht zu Atem kommen, / er sättigt mich mit Bitternis.
19 Geht es um Kraft, er ist der Starke, / geht es um Recht, wer lädt mich vor?
20 Wäre ich im Recht, mein eigener Mund spräche mich schuldig, / wäre ich ohne Tadel, er machte mich krumm.
21 Schuldlos bin ich, doch achte ich nicht auf mich, / mein Leben werfe ich hin.
22 Einerlei ist es, so sage ich es denn: / Schuldlos wie schuldig bringt er um.
23 Wenn die Geißel plötzlich tötet, / spottet er über der Unschuldigen Angst.
24 Die Erde ist in Frevlerhand gegeben, / das Gesicht ihrer Richter deckt er zu. / Ist er es nicht, wer ist es dann?
25 Schneller als ein Läufer eilen meine Tage, / sie fliehen dahin und schauen kein Glück.
26 Sie gleiten vorbei wie Kähne aus Schilf, / dem Adler gleich, der sich auf Beute stürzt.
27 Sage ich: Ich will meine Klage vergessen, / meine Miene ändern und heiter blicken!,
28 so graut mir vor all meinen Schmerzen. / Ich weiß, du sprichst mich nicht frei.
29 Ich muss nun einmal schuldig sein, / wozu mühe ich mich umsonst?
30 Wollte ich auch mit Schnee mich waschen, / meine Hände mit Lauge reinigen,
31 du würdest mich doch in die Grube tauchen, / sodass meinen Kleidern vor mir ekelt.
32 Denn er ist kein Mann wie ich, / dem ich entgegnen könnte: / Lasst uns zusammen zum Gericht gehen!
33 Es gibt keinen Schiedsmann zwischen uns, / der seine Hand auf uns beide legte.
34 Er nehme von mir seine Rute, / sein Schrecken soll mich nicht mehr ängstigen;
35 dann will ich reden, ohne ihn zu fürchten. / Doch so ist es nicht um mich bestellt.
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Ijobs Klage: 10,1–22
1 Zum Ekel ist mein Leben mir geworden, / ich lasse meiner Klage freien Lauf, / reden will ich in meiner Seele Bitternis.
2 Ich sage zu Gott: Sprich mich nicht schuldig, / lass mich wissen, warum du mich befehdest!
3 Was hast du davon, dass du Gewalt verübst, / dass du die Mühsal deiner Hände verwirfst, / doch über dem Plan der Frevler aufstrahlst?
4 Hast du die Augen eines Sterblichen, / siehst du, wie Menschen sehen?
5 Sind Menschentagen deine Tage gleich / und deine Jahre wie des Mannes Tage,
6 dass du Schuld an mir suchst, / nach meiner Sünde fahndest,
7 obwohl du weißt, dass ich nicht schuldig bin / und dass keiner retten kann aus deiner Hand?
8 Deine Hände haben mich gebildet, mich gemacht; / dann hast du dich umgedreht und mich vernichtet.
9 Denk doch daran, wie Ton hast du mich gemacht / und zu Staub lässt du mich zurückkehren.
10 Hast du mich nicht ausgegossen wie Milch, / wie Käse mich gerinnen lassen?
11 Mit Haut und Fleisch hast du mich umkleidet, / mit Knochen und Sehnen mich durchflochten.
12 Leben und Huld hast du mir verliehen, / deine Obhut schützte meinen Geist.
13 Doch verbirgst du dies in deinem Herzen; / ich weiß, das hattest du im Sinn.
14 Sündige ich, wirst du mich bewachen, / mich nicht freisprechen von meiner Schuld.
15 Wenn ich schuldig würde, dann wehe mir! / Aber selbst wenn ich im Recht wäre, dürfte ich mein Haupt nicht erheben, / bin gesättigt mit Schmach und geplagt mit Kummer.
16 Erhebe ich es doch, jagst du mich wie ein Löwe / und erweist dich wieder wunderbar an mir.
17 Neue Zeugen bietest du gegen mich auf, / häufst deinen Unwillen auf mich, / immer neue Heere führst du mir entgegen.
18 Warum ließest du mich aus dem Mutterschoß kommen, / warum verschied ich nicht, ehe mich ein Auge sah?
19 Wie nie gewesen wäre ich dann, / vom Mutterleib zum Grab getragen.
20 Sind wenig nicht die Tage meines Lebens? / Lass ab von mir, damit ich ein wenig heiter blicken kann,
21 bevor ich fortgehe ohne Wiederkehr / ins Land der Finsternis und des Todesschattens,
22 ins Land, so dunkel wie die Nacht, / wo Todesschatten herrscht und keine Ordnung, / und wenn es leuchtet, ist es wie die Nacht.
11
Größe Gottes: 11,1–12
1 Da antwortete Zofar von Naama und sprach:
2 Soll dieser Wortschwall ohne Antwort bleiben / und soll der Maulheld recht behalten?
3 Bringt dein Geschwätz Männer zum Schweigen, / darfst du spotten, ohne dass einer dich beschämt?
4 Du sagtest: Rein ist meine Lehre / und lauter war ich stets in deinen Augen.
5 O, dass Gott doch selber spräche, / seine Lippen öffnete gegen dich.
6 Er würde dich der Weisheit Tiefen lehren, / dass sie wie Wunder sind für den klugen Verstand. / Du würdest erkennen, dass Gott von deiner Schuld noch manches übersieht.
7 Die Tiefen Gottes willst du finden, / bis zur Vollkommenheit des Allmächtigen vordringen?
8 Höher als der Himmel ist sie, was machst du da? / Tiefer als die Unterwelt, was kannst du wissen?
9 Weiter als die Erde ist ihr Maß, / breiter ist sie als das Meer.
10 Wenn er daherfährt und gefangen nimmt, / wenn er zusammentreibt, wer hält ihn ab?
11 Denn er kennt die falschen Leute, / sieht das Unrecht und nimmt es wahr.
12 Kommt denn ein Hohlkopf zur Besinnung, / wird ein Wildesel als ein Mensch geboren?
Aufgabe des Menschen: 11,13–20
13 Wenn du selbst dein Herz in Ordnung bringst / und deine Hände zu ihm ausbreitest -
14 wenn Unrecht klebt an deiner Hand, entferne es / und lass nicht Schlechtigkeit in deinen Zelten wohnen! -,
15 dann kannst du ohne Makel dein Angesicht erheben, / fest stehst du da und brauchst dich nicht zu fürchten.
16 Dann wirst du auch das Ungemach vergessen, / du denkst daran wie an Wasser, das vorüberfloss.
17 Heller als der Mittag erhebt sich dann dein Leben, / die Dunkelheit wird wie der Morgen sein.
18 Du fühlst dich sicher, weil noch Hoffnung ist; / du schaust dich um und kannst sicher schlafen.
19 Du lagerst dich und niemand schreckt dich auf / und viele mühen sich um deine Gunst.
20 Doch der Frevler Augen verschmachten, / jede Zuflucht schwindet ihnen; / ihre Hoffnung ist, das Leben auszuhauchen.
12
Schweigen Gottes: 12,1–6
1 Da antwortete Ijob und sprach:
2 Wahrhaftig, ihr seid besondere Leute / und mit euch stirbt die Weisheit aus.
3 Ich habe auch Verstand wie ihr, / ich falle nicht ab im Vergleich mit euch. / Wer wüsste wohl dergleichen nicht?
4 Dem eigenen Freund werde ich zum Gespött, / ich, der Gott anruft, dass er mich hört. / Zum Gespött wird der Gerechte, der Schuldlose.
5 Dem Unglück Hohn! So denkt, wer ohne Sorge ist, / wer fest sich weiß, wenn Füße wanken.
6 In Ruhe sind der Gewaltmenschen Zelte, / voll Sicherheit sind sie, die Gott erzürnen, / die wähnen, Gott in ihre Hand zu bringen.
Gottes unbegreifliches Walten: 12,7–25
7 Doch frag nur die Tiere, sie lehren es dich, / die Vögel des Himmels, sie künden es dir.
8 Oder rede zur Erde, sie wird dich lehren, / die Fische des Meeres erzählen es dir.
9 Wer von ihnen allen wüsste nicht, / dass die Hand des HERRN dies gemacht hat?
10 In seiner Hand ruht die Seele allen Lebens / und jeden Menschenleibes Geist.
11 Darf nicht das Ohr die Worte prüfen, / wie mit dem Gaumen man die Speisen schmeckt?
12 Findet sich bei Greisen wirklich Weisheit / und ist langes Leben schon Einsicht?
13 Bei ihm allein sind Weisheit und Heldenkraft, / bei ihm sind Rat und Einsicht.
14 Wenn er einreißt, baut keiner wieder auf; / wen er einschließt, dem wird nicht mehr geöffnet.
15 Wenn er die Wasser dämmt, versiegen sie, / lässt er sie frei, zerwühlen sie das Land.
16 Bei ihm ist Macht und Klugheit, / sein ist, wer irrt und wer irreführt.
17 Er lässt Ratsherren barfuß gehen, / Richter macht er zu Toren.
18 Fesseln von Königen löst er auf / und bindet einen Schurz um ihre Hüften.
19 Er lässt Priester barfuß gehen, / alte Geschlechter bringt er zu Fall.
20 Das Wort entzieht er den Bewährten, / den Ältesten nimmt er die Urteilskraft.
21 Verachtung gießt er auf die Edlen, / den Starken lockert er den Gurt.
22 Verborgenes enthüllt er aus der Finsternis, / Todesschatten führt er ans Licht.
23 Völker lässt er wachsen und vernichtet sie; / er breitet Völker aus und treibt sie fort.
24 Den Häuptern des Landes nimmt er den Verstand, / lässt sie irren in wegloser Wüste.
25 Sie tappen umher im Finstern ohne Licht, / er lässt sie irren wie Trunkene.
13
Leeres Gerede der Freunde: 13,1–12
1 Seht, all das hat mein Auge gesehen, / mein Ohr gehört und wohl gemerkt.
2 Was ihr wisst, weiß ich auch; / ich falle nicht ab im Vergleich mit euch.
3 Doch ich will zum Allmächtigen reden, / mit Gott zu rechten ist mein Wunsch.
4 Ihr aber seid nur Lügentüncher, / untaugliche Ärzte allesamt.
5 Dass ihr endlich schweigen wolltet; / das würde Weisheit für euch sein.
6 Hört doch meinen Rechtsbeweis, / merkt auf die Streitreden meiner Lippen!
7 Wollt ihr für Gott Verkehrtes reden / und seinetwegen Lügen sprechen?
8 Wollt ihr für ihn Partei ergreifen, / für Gott den Rechtsstreit führen?
9 Ginge es gut, wenn er euch durchforschte, / könnt ihr ihn täuschen, wie man Menschen täuscht?
10 In harte Zucht wird er euch nehmen, / wenn ihr heimlich Partei ergreift.
11 Wird seine Hoheit euch nicht schrecken, / nicht Schrecken vor ihm euch überfallen?
12 Eure Merksätze sind Sprüche aus Staub, / eure Schilde aus Lehm.
Verteidigung der eigenen Unschuld: 13,13–28
13 Schweigt vor mir, damit ich reden kann! / Dann komme auf mich, was kommen mag.
14 Meinen Leib nehme ich zwischen die Zähne, / in meine Hand lege ich mein Leben.
15 Er mag mich töten, ich harre auf ihn; / doch meine Wege verteidige ich vor ihm.
16 Schon das wird mir zum Heile dienen, / kein Ruchloser kommt ja vor sein Angesicht.
17 Hört nun genau auf meine Rede, / was ich erkläre vor euren Ohren!
18 Seht, ich bringe den Rechtsfall vor; / ich weiß, ich bin im Recht.
19 Wer könnte den Rechtsstreit gegen mich gewinnen? / Dann wollte ich schweigen und sterben.
20 Zwei Dinge nur tu mir nicht an, / dann verberge ich mich nicht vor dir:
21 Zieh deine Hand von mir zurück; / dein Schrecken soll mir keine Angst einjagen.
22 Dann ruf und ich will antworten / oder ich will reden und du erwiderst mir!
23 Wie viel habe ich an Sünden und Vergehen? / Meine Schuld und mein Vergehen sag mir an!
24 Warum verbirgst du dein Angesicht / und siehst mich an als deinen Feind?
25 Verwehtes Laub willst du noch scheuchen, / dürre Spreu noch forttreiben?
26 Denn Bitterkeit verschreibst du mir, / teilst mir die Sünden meiner Jugend zu.
27 In den Block legst du meine Füße, / du überwachst auch alle meine Pfade / und zeichnest einen Strich um meiner Füße Sohlen.
28 Er selbst zerfällt wie Verfaultes, / dem Kleide gleich, das die Motte fraß.
14
Ijobs Hoffnungslosigkeit: 14,1–22
1 Der Mensch, vom Weib geboren, / knapp an Tagen, unruhvoll,
2 er geht wie die Blume auf und welkt, / flieht wie ein Schatten und bleibt nicht bestehen.
3 Doch über ihm hältst du dein Auge offen, / mich aber bringst du ins Gericht mit dir.
4 Kann denn ein Reiner von Unreinem kommen? / Nicht ein Einziger.
5 Wenn seine Tage fest bestimmt sind / und die Zahl seiner Monde bei dir, / wenn du gesetzt hast seine Grenzen, / sodass er sie nicht überschreitet,
6 dann schau weg von ihm! Lass ab, / dass er seines Tags sich freue wie ein Tagelöhner!
7 Denn für den Baum besteht noch Hoffnung: / Ist er gefällt, so treibt er wieder, / sein Sprössling bleibt nicht aus.
8 Wenn in der Erde seine Wurzel altert / und sein Stumpf im Boden stirbt,
9 vom Dunst des Wassers sprosst er wieder / und wie ein Setzling treibt er Zweige.
10 Doch stirbt ein Mann, so bleibt er kraftlos, / verscheidet ein Mensch, wo ist er dann?
11 Die Wasser schwinden aus dem Meer, / der Strom vertrocknet und versiegt.
12 So legt der Mensch sich hin, steht nie mehr auf; / die Himmel werden vergehen, ehe er erwacht, / ehe er aus seinem Schlaf geweckt wird.
13 Dass du mich in der Unterwelt verstecktest, / mich bergen wolltest, bis dein Zorn sich wendet, / eine Frist mir setztest und dann an mich dächtest!
14 Wenn einer stirbt, lebt er dann wieder auf? / Alle Tage meines Kriegsdienstes harrte ich, bis einer käme, um mich abzulösen.
15 Du riefest und ich gäbe dir Antwort, / du sehntest dich nach deiner Hände Werk.
16 Dann würdest du meine Schritte zählen, / auf meinen Fehltritt nicht mehr achten.
17 Versiegelt im Beutel wäre mein Vergehen, / du würdest meinen Frevel übertünchen.
18 Doch auch ein Berg fällt und zergeht, / von seiner Stätte rückt der Fels.
19 Das Wasser zerreibt Steine, / Platzregen spült das Erdreich fort; / so machst du die Hoffnung des Menschen zunichte.
20 Du bezwingst ihn für immer, so geht er dahin, / du entstellst sein Gesicht und schickst ihn fort.
21 Sind seine Kinder in Ehren, er weiß es nicht; / sind sie verachtet, er merkt es nicht.
22 Sein Leib fühlt nur die eigenen Schmerzen, / seine Seele trauert nur um sich selbst.
15
Sündigkeit aller Menschen: 15,1–16
1 Da antwortete Elifas von Teman und sprach:
2 Gibt ein Weiser windige Kunde zur Antwort, / füllt er sein Inneres mit Ostwind an,
3 um zurechtzuweisen mit Gerede, das nichts taugt, / mit Worten, in denen kein Nutzen liegt?
4 Du brichst sogar die Gottesfurcht, / zerstörst das Besinnen vor Gott.
5 Denn deine Schuld belehrt deinen Mund, / die Sprache der Listigen hast du gewählt.
6 Dein eigener Mund verurteilt dich, nicht ich, / deine Lippen zeugen gegen dich.
7 Bist du als erster Mensch geboren, / kamst du zur Welt noch vor den Hügeln?
8 Hast du gelauscht im Rate Gottes / und die Weisheit an dich gerissen?
9 Was weißt du, das wir nicht wissen, / was verstehst du, das uns nicht bekannt ist?
10 Auch unter uns sind Alte, sind Ergraute, / die älter sind an Tagen als dein Vater.
11 Ist zu gering dir Gottes Tröstung, / ein Wort, das sanft mit dir verfährt?
12 Wie reißt doch dein Herz dich fort, / wie überheben sich deine Augen,
13 dass gegen Gott deinen Zorn du wendest / und solche Worte aus deinem Munde stößt?
14 Was ist der Mensch, dass rein er wäre, / der vom Weib Geborene, dass er im Recht sein könnte?
15 Sieh doch, selbst seinen Heiligen traut er nicht / und der Himmel ist nicht rein in seinen Augen.
16 Geschweige denn ein Unreiner und Verderbter, / ein Mann, der Verkehrtes trinkt wie Wasser.
Hoffnungslosigkeit des Frevlers: 15,17–35
17 Verkünden will ich dir, hör mir zu! / Was ich geschaut, will ich erzählen,
18 was Weise zu berichten wissen, / was ihre Väter ihnen nicht verhehlten.
19 Ihnen allein war das Land gegeben, / kein Fremder ging unter ihnen einher.
20 Der Frevler bebt in Ängsten all seine Tage, / nur wenige Jahre sind dem Tyrannen bestimmt.
21 In seinen Ohren hallen Schreckensrufe, / mitten im Frieden kommt der Verwüster über ihn.
22 Er kann nicht hoffen, der Finsternis zu entfliehen, / aufgespart ist er für das Schwert.
23 Er irrt umher nach Brot, wo er es finde, / er weiß, dass ihn ein schwarzer Tag bedroht.
24 Not und Drangsal erschrecken ihn, / sie packen ihn wie ein kampfbereiter König.
25 Denn gegen Gott erhebt er seine Hand, / gegen den Allmächtigen erkühnt er sich.
26 Halsstarrig rennt er gegen ihn an / mit den dicken Buckeln seiner Schilde.
27 Sein Gesicht ist bedeckt mit Fett, / an der Hüfte hat er Speck angesetzt.
28 Er wohnt in zerstörten Städten, / in Häusern, darin niemand mehr wohnt, / die man zu Trümmerstätten bestimmt.
29 Er bleibt nicht reich, sein Besitz hat keinen Bestand; / zur Erde neigt sich seine Ähre nicht.
30 Der Finsternis entrinnt er nicht, / die Flammenglut dörrt seinen Schößling aus, / er schwindet dahin beim Hauch seines Mundes.
31 Er baue nicht auf eitlen Trug; / denn sein Erwerb wird nur Enttäuschung sein.
32 Bevor sein Tag kommt, welkt er hin / und sein Palmzweig grünt nicht mehr.
33 Er stößt ihn ab wie der Weinstock saure Trauben, / wie der Ölbaum wirft er seine Blüten fort.
34 Unfruchtbar ist der Ruchlosen Rotte / und Feuer verzehrt die Zelte der Bestechung.
35 Von Mühsal schwanger, gebären sie nur Unheil; / Trug ist, was ihr Schoß hervorbringt.
16
Leidige Tröster: 16,1–5
1 Da antwortete Ijob und sprach:
2 Ähnliches habe ich schon viel gehört; / leidige Tröster seid ihr alle.
3 Sind nun zu Ende die windigen Worte / oder was sonst reizt dich zu antworten?
4 Auch ich könnte reden wie ihr, / wenn ihr an meiner Stelle wäret, / schöne Worte über euch machen / und meinen Kopf über euch schütteln.
5 Ich könnte euch stärken mit meinem Mund, / Trost spenden mit meinen Lippen.
Gottes ungerechter Angriff: 16,6–17
6 Rede ich, hört doch mein Schmerz nicht auf; / schweige ich, so weicht er nicht vor mir.
7 Jetzt aber hat er mich erschöpft. / Den Kreis meiner Freunde hast du mir zerstört.
8 Du hast mich gepackt. / Mein Verfall erhebt sich und tritt als Zeuge gegen mich auf; / er widerspricht mir ins Gesicht.
9 Sein Zorn zerreißt, befehdet mich, / knirscht gegen mich mit den Zähnen, / mein Gegner schärft die Augen gegen mich.
10 Sie sperren ihr Maul gegen mich auf, / schlagen voll Hohn mir auf die Wangen, / scharen sich gegen mich zusammen.
11 Gott gibt mich dem Bösen preis, / in die Hände der Frevler stößt er mich.
12 In Ruhe lebte ich, da hat er mich erschüttert, / mich im Nacken gepackt, mich zerschmettert, / mich als Zielscheibe für sich aufgestellt.
13 Seine Pfeile umschwirren mich, / schonungslos durchbohrt er mir die Nieren, / schüttet meine Galle zur Erde.
14 Bresche über Bresche bricht er mir, / stürmt wie ein Krieger gegen mich an.
15 Ein Trauergewand hab ich meiner Haut genäht, / mein Horn in den Staub gesenkt.
16 Mein Gesicht ist vom Weinen rot / und Todesschatten liegt auf meinen Wimpern.
17 Doch kein Unrecht klebt an meinen Händen / und mein Gebet ist lauter.
Der Zeuge im Himmel: 16,18–22
18 O Erde, deck mein Blut nicht zu / und ohne Ruhstatt sei mein Hilfeschrei!
19 Nun aber, seht, im Himmel ist mein Zeuge, / mein Bürge in den Höhen.
20 Da meine Freunde mich verspotten, / tränt zu Gott hin mein Auge.
21 Recht schaffe er dem Mann bei Gott / und zwischen Mensch und Mensch.
22 Denn nur wenige Jahre werden noch kommen, / dann muss ich gehen den Weg ohne Wiederkehr.
17
Klage des Verhöhnten: 17,1–10
1 Mein Geist ist verwirrt, / meine Tage sind ausgelöscht, / nur Gräber bleiben mir.
2 Wahrhaftig, nur Spott begleitet mich. / In ihren Bitterkeiten verbringt mein Auge die Nacht.
3 Sei du doch selbst mein Bürge bei dir! / Wer würde sonst den Handschlag für mich leisten?
4 Denn ihr Herz hast du der Einsicht verschlossen, / darum lässt du sie nicht triumphieren.
5 Zum Teilen lädt einer die Freunde ein, / doch die Augen seiner Kinder verschmachten.
6 Zum Spott für die Leute stellte er mich hin, / ich wurde einer, dem man ins Gesicht spuckt.
7 Vor Kummer ist mein Auge matt, / all meine Glieder sind wie ein Schatten.
8 Darüber entsetzen sich die Redlichen, / der Unschuldige empört sich über den Ruchlosen.
9 Doch der Gerechte hält fest an seinem Weg, / wer reine Hände hat, gewinnt an Kraft.
10 Ihr alle, kehrt um, kommt nur wieder her, / ich finde doch keinen Weisen unter euch.
Not des Verzweifelten: 17,11–16
11 Dahin sind meine Tage, / zunichte meine Pläne, meine Herzenswünsche.
12 Sie machen mir die Nacht zum Tag, / das Licht nähert sich dem Dunkel.
13 Ich erhoffe nichts mehr. / Die Unterwelt wird mein Haus, / in der Finsternis breite ich mein Lager aus.
14 Zur Grube rufe ich: Mein Vater bist du!, / Meine Mutter, meine Schwester!, zum Wurm.
15 Wo aber ist meine Hoffnung? / Ja, meine Hoffnung, wer kann sie erblicken?
16 Fährt sie zur Unterwelt mit mir hinab, / sinken wir vereint in den Staub?
18
Selbstverteidigung Bildads: 18,1–4
1 Da antwortete Bildad von Schuach und sprach:
2 Wann endlich macht ihr Schluss mit den Reden? / Nehmt Einsicht an, dann reden wir.
3 Warum sind wir wie Vieh geachtet, / gelten als unrein in euren Augen?
4 Du zerfleischt dich selbst in deinem Zorn. / Soll deinetwegen die Erde sich entvölkern, / der Fels von seiner Stelle rücken?
Schicksal des Frevlers: 18,5–21
5 Ja, der Frevler Licht erlischt, / die Flamme seines Feuers strahlt nicht auf.
6 Das Licht in seinem Zelte wird finster, / seine Leuchte über ihm erlischt.
7 Eng werden seine gewaltigen Schritte, / sein eigener Plan bringt ihn zu Fall.
8 Denn mit seinen Füßen gerät er ins Netz / und über Flechtwerk schreitet er dahin.
9 Das Klappnetz packt ihn an der Ferse, / die Schlinge hält ihn fest.
10 Versteckt am Boden liegt sein Fangstrick, / die Falle für ihn auf dem Pfad.
11 Ringsum ängstigen ihn Schrecken / und scheuchen ihn auf Schritt und Tritt.
12 Hungrig nach ihm ist sein Unheil, / das Verderben steht bereit zu seinem Sturz.
13 Es frisst die Glieder seines Leibes, / seine Glieder frisst des Todes Erstgeborener.
14 Ausgerissen wird er aus seinem Zelt, aus seiner Zuversicht, / es treibt ihn fort zum König der Schrecken.
15 Ihm Fremdes wohnt in seinem Zelt, / Schwefel wird auf seinen Hof gestreut.
16 Von unten her verdorren seine Wurzeln, / von oben welken seine Zweige.
17 Sein Andenken schwindet von der Erde, / kein Name bleibt ihm weit und breit.
18 Sie stoßen ihn vom Licht in die Finsternis / und jagen ihn vom Erdkreis fort.
19 Kein Spross, kein Stamm bleibt ihm in seinem Volk, / am Ort seines Aufenthaltes keiner, der ihn überlebt.
20 Über seinen Tag schaudern die im Westen, / die im Osten packt das Grauen.
21 Ja, so geht es mit den Wohnungen des Frevlers, / mit dem Ort des Menschen, der Gott nicht kennt.
19
Zurückweisung der Schmähung: 19,1–5
1 Da antwortete Ijob und sprach:
2 Wie lange noch wollt ihr meine Seele quälen / und mich mit Worten niedertreten?
3 Zum zehnten Mal schon schmäht ihr mich / und schämt euch nicht, mich zu beleidigen.
4 Ging ich wirklich unwissend fehl, / mein Fehltritt weilt doch allein bei mir.
5 Wollt ihr wirklich groß tun gegen mich / und mir meine Schmach beweisen?
Gottes unbegreifliches Verhalten: 19,6–12
6 Erkennt doch, dass Gott mich niederdrückt, / da er sein Netz rings um mich warf.
7 Seht! Schreie ich: Gewalt!, wird mir keine Antwort, / rufe ich um Hilfe, gibt es kein Recht.
8 Meinen Pfad hat er versperrt; ich kann nicht weiter, / Finsternis legt er auf meine Wege.
9 Meiner Ehre hat er mich entkleidet, / die Krone mir vom Haupt genommen.
10 Er brach mich ringsum nieder, ich muss dahin; / er riss mein Hoffen aus wie einen Baum.
11 Seinen Zorn ließ er gegen mich entbrennen, / gleich seinen Gegnern gelte ich ihm.
12 Vereint rückten seine Scharen an, / bahnten gegen mich ihren Weg, / lagerten sich rings um mein Zelt.
Entfremdung der Verwandten und Freunde: 19,13–22
13 Meine Brüder hat er von mir entfernt, / meine Bekannten sind mir entfremdet.
14 Meine Verwandten, Bekannten blieben aus, / die Gäste meines Hauses haben mich vergessen.
15 Als Fremder gelte ich meinen Mägden, / von anderem Stamm bin ich in ihren Augen.
16 Rufe ich meinen Knecht, so antwortet er nicht; / mit eigenem Mund muss ich ihn anflehen.
17 Mein Atem ist meiner Frau zuwider; / die Söhne meiner Mutter ekelt es vor mir.
18 Selbst Unmündige verachten mich, / stehe ich auf, verhöhnen sie mich.
19 Alle meine Gefährten verabscheuen mich, / die ich liebe, lehnen sich gegen mich auf.
20 An Haut und Fleisch klebt mein Gebein, / nur die Haut an meinen Zähnen blieb.
21 Erbarmt, erbarmt euch meiner, ihr, meine Freunde! / Denn Gottes Hand hat mich getroffen.
22 Warum verfolgt ihr mich wie Gott, / warum werdet ihr an meinem Fleisch nicht satt?
Ijobs Hoffnung und Vertrauen: 19,23–29
23 Würden meine Worte doch geschrieben, / würden sie doch in ein Buch eingeritzt,
24 mit eisernem Griffel und mit Blei, / für immer gehauen in den Fels.
25 Doch ich, ich weiß: Mein Erlöser lebt, / als Letzter erhebt er sich über dem Staub.
26 Ohne meine Haut, die so zerfetzte, / und ohne mein Fleisch werde ich Gott schauen.
27 Ihn selber werde ich dann für mich schauen; / meine Augen werden ihn sehen, nicht mehr fremd. / Meine Nieren verzehren sich in meinem Innern.
28 Wenn ihr sagt: Wie wollen wir ihn verfolgen / und den Grund der Sache an ihm finden!,
29 dann bangt für euch selber vor dem Schwert; / denn brennender Zorn verdient das Schwert, / damit ihr wisst: Es gibt ein Gericht.
20
Ijobs unbegründeter Vorwurf: 20,1–3
1 Da antwortete Zofar von Naama und sprach:
2 Darum drängt mich meine Erregung zur Antwort / und deswegen stürmt es in mir.
3 Schmähende Rüge muss ich hören, / doch der Geist meiner Einsicht lässt mich entgegnen.
Schicksal des Frevlers: 20,4–29
4 Weißt du das nicht von Urzeit her, / seit er Menschen auf die Erde gesetzt hat:
5 dass kurz nur währt der Frevler Jubel, / einen Augenblick nur des Ruchlosen Freude?
6 Steigt auch sein Übermut zum Himmel / und rührt sein Kopf bis ans Gewölk,
7 wie sein Kot vergeht er doch für immer; / die ihn gesehen haben, werden fragen: Wo ist er?
8 Wie ein Traum verfliegt er / und ist nicht mehr zu finden, / wird weggescheucht wie ein Gesicht der Nacht.
9 Das Auge, das ihn sah, erblickt ihn nicht wieder, / seine Stätte schaut ihn nie mehr.
10 Seine Söhne müssen die Armen günstig stimmen, / seine Hände müssen seine Habe zurückgeben.
11 Strotzen von Jugendkraft auch seine Glieder, / sie betten sich doch mit ihm in den Staub.
12 Schmeckt süß das Böse in seinem Mund, / birgt er es unter seiner Zunge,
13 spart er es auf und will nicht von ihm lassen, / hält er es auch tief in seinem Gaumen fest,
14 in seinem Innern verwandelt sich die Speise, / sie wird in seinem Leib zu Natterngift.
15 Das Gut, das er verschlungen hat, speit er aus; / aus seinem Leib treibt Gott es heraus.
16 Das Gift von Nattern saugt er ein, / es tötet ihn der Viper Zunge.
17 Nicht darf er Bäche schauen, / nicht Flüsse, die von Honig und Rahm fließen.
18 Zurückgeben muss er seinen Gewinn, / genießen darf er ihn nicht, / darf sich nicht freuen am ertauschten Gut.
19 Denn Arme schlug er nieder, ließ sie liegen, / raubte das Haus, das er nicht gebaut.
20 Denn kein Genug kennt er in seinem Bauch, / drum entkommt er nicht mit seinen Schätzen.
21 Nichts entgeht seinem Fraß, / darum hält sein Glück auch nicht stand.
22 Trotz vollen Überflusses kommt er in Not, / die ganze Wucht des Elends fällt ihn an.
23 Und so geschieht es: Um des Frevlers Bauch zu füllen, / lässt Gott auf ihn die Gluten seines Zornes los, / lässt auf ihn regnen seine Schläge.
24 Flieht er vor dem Eisenpanzer, / durchbohrt ihn der Bogen aus Bronze.
25 Er zückte das Schwert und es kam heraus aus seinem Rücken, / ein Blitz aus seiner Galle. / Schrecken gehen über ihn hinweg.
26 Nur finsteres Unheil ist für ihn aufbewahrt, / Feuer, von niemand entfacht, verzehrt ihn, / frisst noch den letzten Mann in seinem Zelt.
27 Der Himmel enthüllt seine Schuld, / die Erde bäumt sich gegen ihn auf.
28 Weggeführt wird der Ertrag seines Hauses, / dahingerafft am Tag seines Zorns.
29 Das ist des Frevlers Anteil von Gott, / das Erbe, das Gott ihm zuspricht.
21
Bitte um Geduld: 21,1–6
1 Da antwortete Ijob und sprach:
2 Hört, hört doch auf mein Wort, / das wäre mir schon Trost von euch.
3 Ertragt mich, sodass ich reden kann. / Habe ich geredet, dann könnt ihr spotten.
4 Richte ich an Menschen meine Klage, / habe ich nicht Grund zur Ungeduld?
5 Wendet euch mir zu und erstarrt / und legt die Hand auf den Mund!
6 Denke ich daran, bin ich erschreckt / und Schauder packt meinen Leib.
Glück des Frevlers: 21,7–21
7 Warum bleiben Frevler am Leben, / werden alt und stark an Kraft?
8 Ihre Nachkommen stehen fest vor ihnen, / ihre Sprösslinge vor ihren Augen.
9 Ihre Häuser sind in Frieden, ohne Schreck, / die Rute Gottes trifft sie nicht.
10 Ihr Stier bespringt und fehlt nicht, / die Kühe kalben und verwerfen nicht.
11 Wie Schafe treiben sie ihre Kinder aus, / ihre Kleinen tanzen und springen.
12 Sie singen zu Pauke und Harfe, / erfreuen sich am Klang der Flöte,
13 sie bringen hin ihre Tage im Glück / und fahren voll Ruhe hinab ins Totenreich.
14 Und doch sagten sie zu Gott: Weiche von uns! / Deine Wege wollen wir nicht kennen.
15 Was ist der Allmächtige, dass wir ihm dienen, / was nützt es uns, wenn wir uns an ihn wenden?
16 Doch in ihrer Hand liegt nicht das Glück, / der Frevler Denkart ist mir fern.
17 Wie oft erlischt der Frevler Lampe, / kommt Unheil über sie, / teilt er Verderben zu in seinem Zorn?
18 Wie oft werden sie wie Stroh vor dem Wind, / wie Spreu, die der Sturm entführt?
19 Spart Gott sein Unheil auf für dessen Kinder? / Ihm selbst vergelte er, dass er es spürt!
20 Mit eigenen Augen soll er sein Unglück schauen, / vom Grimm des Allmächtigen soll er trinken.
21 Denn was kümmert ihn sein Haus, wenn er dahin ist, / wenn abgeschnitten seiner Monde Zahl?
Trügerischer Trost: 21,22–34
22 Darf man Gott Erkenntnis lehren, / ihn, der die Erhabenen richtet?
23 Der eine stirbt in vollem Glück, / ist ganz in Frieden, sorgenfrei.
24 Seine Schenkel sind voll von Fett, / getränkt mit Mark sind seine Knochen.
25 Der andere stirbt mit bitterer Seele / und hat kein Glück genossen.
26 Zusammen liegen sie im Staub / und Gewürm deckt beide zu.
27 Seht, euer Denken kenne ich wohl, / die Ränke, die ihr sinnt gegen mich.
28 Ihr sagt: Wo ist das Haus des Edlen / und wo das Zelt, in dem Frevler wohnen?
29 Habt ihr nie die fahrenden Leute befragt / und nicht ihre Zeichen genau beachtet?
30 Dass am Unglückstag der Böse verschont wird, / weggebracht am Tag des Zorns.
31 Wer hält ihm seinen Lebenswandel vor, / was er getan hat, wer vergilt es ihm?
32 Er aber wird zur Gruft geleitet, / bei seinem Grab hält man die Wacht.
33 Ein Labsal sind für ihn die Schollen des Schachts, / hinter ihm her zieht alle Welt, / vor ihm eine Menge ohne Zahl.
34 Wie wollt ihr mich mit Nichtigem trösten? / Eure Antworten bleiben Betrug.
22
Ijobs angebliche Freveltaten: 22,1–11
1 Da antwortete Elifas von Teman und sprach:
2 Kann denn der Mensch Gott nützen? / Nein, sich selber nützt der Kluge.
3 Ist es dem Allmächtigen von Wert, / dass du gerecht bist, / ist es für ihn Gewinn, wenn du unsträfliche Wege gehst?
4 Wegen deiner Gottesfurcht sollte er dich strafen, / vor Gericht mit dir gehen?
5 Ist nicht groß deine Bosheit, / ohne Ende dein Verschulden?
6 Du pfändest ohne Grund deine Brüder, / ziehst Nackten ihre Kleider aus.
7 Den Durstigen tränkst du nicht mit Wasser, / dem Hungernden versagst du das Brot.
8 Dem Mann der Faust gehört das Land, / der Günstling darf darin wohnen.
9 Witwen hast du weggeschickt mit leeren Händen, / der Verwaisten Arme zerschlagen.
10 Deswegen liegen Fallstricke rings um dich her / und jäher Schrecken ängstigt dich
11 oder Finsternis, worin du nicht siehst, / und Wasserflut, die dich bedeckt.
Allwissender Gott: 22,12–20
12 Ist Gott nicht wie der Himmel hoch? / Schau, wie die höchsten Sterne ragen.
13 Und da sagst du: Was weiß denn Gott? / Richtet er denn durch das dunkle Gewölk?
14 Wolken umhüllen ihn, sodass er nicht sieht, / am Himmelskreis geht er einher.
15 Willst du dem Pfad der Vorzeit folgen, / den die Männer des Unheils zogen,
16 die vor der Zeit dahingerafft wurden, / über deren Grund sich ein Strom ergoss,
17 die zu Gott sagten: Weiche von uns! / und: Was kann uns der Allmächtige tun?
18 Und doch, er hat ihre Häuser mit Gütern gefüllt. / Der Plan der Frevler ist mir fern.
19 Die Gerechten werden es sehen und sich freuen, / der Unschuldige wird sie verspotten:
20 Wahrhaftig, vernichtet sind unsere Gegner, / ihren Rest hat das Feuer verzehrt.
Mahnung zu Umkehr und Demut: 22,21–30
21 Werde sein Freund und halte Frieden! / Nur dadurch kommt das Gute dir zu.
22 Nimm doch Weisung an aus seinem Mund, / leg dir seine Worte ins Herz:
23 Kehrst du zum Allmächtigen um, / so wirst du aufgerichtet. Hältst Unrecht deinem Zelt du fern,
24 wirfst in den Staub das Edelgold, / zum Flussgestein das Feingold,
25 dann wird der Allmächtige dein Edelgold / und erlesenes Silber für dich sein.
26 Dann wirst du am Allmächtigen dich erfreuen / und zu Gott dein Angesicht erheben.
27 Flehst du ihn an, so hört er dich / und du wirst deine Gelübde erfüllen.
28 Was du beschließt, trifft ein, / Licht strahlt über deinen Wegen auf.
29 Wer hochmütig redet, den erniedrigt man, / doch hilft er dem, der die Augen senkt.
30 Er rettet den, der schuldlos ist; / durch deiner Hände Reinheit wird er gerettet.
23
Ruf nach Gott, dem Richter: 23,1–17
1 Da antwortete Ijob und sprach:
2 Auch heute ist meine Klage Widerspruch; / schwer lastet seine Hand auf meinem Seufzen.
3 Wüsste ich doch, wie ich ihn finden könnte, / gelangen könnte zu seiner Stätte.
4 Ich wollte vor ihm den Rechtsfall ausbreiten, / meinen Mund mit Beweisen füllen.
5 Ich möchte wissen, mit welchen Worten er mir Antwort gibt, / möchte erfahren, was er mir zu sagen hat.
6 Würde er in der Fülle der Macht mit mir streiten? / Nein, gerade er wird auf mich achten!
7 Dort würde ein Redlicher mit ihm rechten / und ich käme für immer frei von meinem Richter.
8 Seht, gehe ich nach Osten, so ist er nicht da, / nach Westen, so bemerke ich ihn nicht,
9 nach Norden, sein Tun erblicke ich nicht; / biege ich nach Süden, sehe ich ihn nicht.
10 Doch er kennt den Weg, den ich gehe; / prüfte er mich, ich ginge wie Gold hervor.
11 Mein Fuß hielt fest an seiner Spur, / seinen Weg hielt ich ein und bog nicht ab.
12 Das Gebot seiner Lippen gab ich nicht auf; / seines Mundes Worte barg ich in meinem Inneren.
13 Doch er bleibt der Eine, wer stimmt ihn um? / Wonach seine Seele verlangte, das machte er.
14 Ja, er vollendet, was er mir bestimmt hat; / und Ähnliches hat er noch viel im Sinn.
15 Darum erschrecke ich vor seinem Angesicht; / denke ich daran, gerate ich in Angst vor ihm.
16 Gott macht mein Herz verzagt, / der Allmächtige versetzt mich in Schrecken.
17 Denn bin ich nicht von Finsternis umschlossen, / bedeckt nicht Dunkel mein Angesicht?
24
Übermut der Frevler und ihr Untergang: 24,1–25
1 Warum hat der Allmächtige keine Fristen bestimmt? / Warum schauen, die ihn kennen, seine Gerichtstage nicht?
2 Jene verrücken die Grenzen, / rauben Herden und führen sie zur Weide.
3 Den Esel der Waisen treiben sie fort, / pfänden das Rind der Witwe.
4 Vom Weg drängen sie die Armen, / es verbergen sich alle Gebeugten des Landes.
5 Seht, wie Wildesel in der Steppe / ziehen sie zu ihrer Arbeit aus; die Steppe suchen sie nach Nahrung ab, / nach Brot für sich und ihre Kinder.
6 Auf dem Feld schneiden sie des Nachts, / halten im Weinberg des Frevlers Nachlese.
7 Nackt verbringen sie die Nacht, ohne Kleider, / haben keine Decke in der Kälte.
8 Vom Regen der Berge sind sie durchnässt, / klammern sich ohne Schutz an den Fels.
9 Von der Mutterbrust reißen sie die Waisen, / den Säugling des Armen nehmen sie zum Pfand.
10 Nackt müssen sie gehen, ohne Kleid, / hungernd tragen sie Garben.
11 Zwischen Mauern pressen sie Öl, / treten die Kelter und müssen doch dürsten.
12 In der Stadt stöhnen Menschen, / die Seelen der Erschlagenen schreien laut. / Doch Gott nimmt keinen Anstoß.
13 Sie sind die Rebellen gegen das Licht; / sie nehmen seine Wege nicht wahr, / bleiben nicht auf seinen Pfaden.
14 Ist kein Licht, erhebt sich der Mörder, / tötet Elende und Arme; / in der Nacht gleicht er dem Dieb.
15 Auch des Ehebrechers Auge achtet auf Dämmerung. / Kein Auge, sagt er, soll mich erspähen!, / eine Hülle legt er aufs Gesicht.
16 Im Finstern bricht er ein in die Häuser; / tagsüber verstecken sie sich; / sie wollen nichts wissen vom Licht.
17 Denn gleich dem Morgen ist für sie der Todesschatten. / Ja, mit den Schrecken des Todesschattens ist er wohl vertraut.
18 Leicht ist er auf der Oberfläche des Wassers; / verflucht ist ihr Anteil auf Erden; / nicht wendet er den Weg den Weinbergen zu.
19 Dürre und Hitze raffen das Schneewasser weg, / die Unterwelt die Sünder.
20 Der Mutterschoß vergisst ihn, / Gewürm labt sich an ihm; nie mehr wird an ihn gedacht, / der Frevel wird gebrochen wie ein Baum.
21 Er tut Böses der Unfruchtbaren, der Kinderlosen, / keiner Witwe erweist er Gutes.
22 Die Starken rafft er hinweg in seiner Kraft; / steht er auf, ist niemand seines Lebens sicher.
23 Er gibt ihm Sicherheit, dass er gestützt wird; / doch seine Augen überwachen ihren Weg.
24 Sie kommen hoch für kurze Zeit, dann ist es aus. / Sie werden umgebogen, alle mit der Faust gepackt / und wie Ährenspitzen abgeschnitten.
25 Ist es nicht so? Wer straft mich Lügen / und bringt meine Rede zum Schweigen?
25
Sündhaftigkeit aller Menschen: 25,1–6
1 Da antwortete Bildad von Schuach und sprach:
2 Herrschaft und Schrecken sind bei ihm, / der Frieden schafft in seinen Höhen.
3 Kann man seine Scharen zählen / und über wem erhebt sich nicht sein Licht?
4 Wie wäre ein Mensch gerecht vor Gott, / wie wäre rein der vom Weib Geborene?
5 Siehe, selbst der Mond glänzt nicht hell, / die Sterne sind nicht rein in seinen Augen,
6 geschweige denn der Mensch, die Made, / der Menschensohn, der Wurm.
26
Leere Worte ohne Wahrheit: 26,1–4
1 Da antwortete Ijob und sprach:
2 Wie hilfst du doch dem Schwachen auf, / stehst du bei dem kraftlosen Arm!
3 Wie gut rätst du dem, der nicht weise ist, / tust ihm Wissen in Fülle kund!
4 Wem trägst du die Reden vor / und wessen Atem geht von dir aus?
Größe der Allmacht Gottes: 26,5–14
5 Die Totengeister zittern drunten, / die Wasser mit ihren Bewohnern.
6 Nackt liegt die Unterwelt vor ihm, / keine Hülle deckt den Abgrund.
7 Er spannt über dem Leeren den Norden, / hängt die Erde auf am Nichts.
8 Er bindet das Wasser in sein Gewölk; / doch birst darunter die Wolke nicht.
9 Er verschließt den Anblick seines Throns / und breitet darüber sein Gewölk.
10 Eine Grenze zieht er rund um die Wasser / bis an den Rand von Licht und Finsternis.
11 Die Säulen des Himmels erzittern, / sie erschrecken vor seinem Drohen.
12 Durch seine Kraft stellt still er das Meer, / durch seine Klugheit zerschmettert er Rahab.
13 Durch seinen Hauch wird heiter der Himmel, / seine Hand durchbohrt die flüchtige Schlange.
14 Seht, das sind nur die Säume seines Waltens; / wie ein Flüstern ist das Wort, / das wir von ihm hören. Doch das Donnern seiner Macht, / wer kann es begreifen?
27
Unschuldsbeteuerung vor den Freunden: 27,1–6
1 Dann setzte Ijob seine Rede fort und sprach:
2 So wahr Gott lebt, der mir mein Recht entzog, / der Allmächtige, der meine Seele quälte:
3 Solange noch Atem in mir ist / und Gottes Hauch in meiner Nase,
4 soll Unrecht nicht von meinen Lippen kommen / noch meine Zunge Falsches reden.
5 Fern sei es mir, euch Recht zu geben, / ich gebe, bis ich sterbe, meine Unschuld nicht preis.
6 An meinem Rechtsein halte ich fest und lasse es nicht; / mein Herz schilt keinen meiner Tage.
Untergang der Frevler: 27,7–23
7 Mein Feind sei wie ein Frevler, / mein Gegner wie ein Bösewicht.
8 Denn was ist des Ruchlosen Hoffen, / wenn er dahingeht, / wenn Gott das Leben von ihm nimmt?
9 Wird Gott sein Schreien hören, / wenn über ihn die Drangsal kommt?
10 Kann er sich des Allmächtigen erfreuen / und Gott anrufen zu jeder Zeit?
11 Ich will euch belehren über Gottes Tun, / nicht verhehlen, was der Allmächtige plant.
12 Seht, ihr habt es alle selbst gesehen. / Warum führt ihr nichtige Reden?
13 Das ist des Frevlers Anteil bei Gott, / der Gewalttätigen Erbe, / das sie vom Allmächtigen empfangen:
14 Werden zahlreich seine Söhne, / fürs Schwert sind sie bestimmt; / nie werden seine Kinder satt an Brot.
15 Was übrig bleibt, wird durch den Tod begraben / und seine Witwen weinen nicht.
16 Häuft er auch Silber auf wie Staub / und beschafft er sich Kleider wie Lehm:
17 Er schafft sie zwar an, / doch anziehen wird sie der Gerechte, / das Silber wird der Schuldlose erben.
18 Er baut wie die Motte sein Haus / und wie die Hütte, die der Wächter aufstellt.
19 Reich legt er sich schlafen, nichts ist ihm genommen. / Macht er die Augen auf, ist nichts mehr da.
20 Schrecken holt ihn ein wie eine Wasserflut, / der Sturmwind trägt ihn fort bei Nacht.
21 Der Ostwind hebt ihn hoch, er muss dahin, / er weht ihn weg von seinem Ort.
22 Er stürzt sich auf ihn schonungslos, / seiner Gewalt will er entfliehen.
23 Man klatscht über ihn in die Hände / und pfeift ihn aus an seinem Ort.
28
Gottesfurcht als Weg zur Weisheit: 28,1–28
1 Wohl gibt es einen Fundort für das Silber, / eine Stätte für das Gold, wo man es läutert.
2 Eisen holt man aus der Erde, / aus Gestein wird Kupfer geschmolzen.
3 Er setzt dem Finstern eine Grenze, / er forscht hinein bis in das Letzte, bis ins düstere, dunkle Gestein.
4 Er gräbt einen Stollen, wo niemand wohnt und an sie denkt; / ohne Halt für den Fuß hängen sie, / fern von Menschen schweben sie.
5 Die Erde, daraus das Brotkorn hervorgeht, / wird in den Tiefen wie mit Feuer umgewühlt.
6 Fundort des Saphirs ist ihr Gestein / und Goldstaub findet sich darin.
7 Kein Raubvogel kennt den Weg dorthin; / kein Falkenauge hat ihn je erspäht.
8 Das stolze Wild betritt ihn nicht, / kein Löwe schreitet über ihn.
9 An harte Kiesel legt er seine Hand, / von Grund auf wühlt er Berge um.
10 In Felsen haut er Stollen ein / und lauter Kostbarkeiten erblickt sein Auge.
11 Sickerbäche dämmt er ein, / Verborgenes bringt er ans Licht.
12 Die Weisheit aber, wo ist sie zu finden / und wo ist der Ort der Einsicht?
13 Kein Mensch kennt die Schicht, in der sie liegt; / sie findet sich nicht in der Lebenden Land.
14 Die Urflut sagt: Bei mir ist sie nicht. / Der Ozean sagt: Bei mir weilt sie nicht.
15 Man kann nicht Feingold für sie geben, / nicht Silber als Preis für sie wägen.
16 Nicht wiegt sie Gold aus Ofir auf, / kein kostbarer Karneol, kein Saphir.
17 Gold und Glas stehen ihr nicht gleich, / kein Tausch für sie ist Goldgerät,
18 nicht zu reden von Korallen und Kristall; / weit über Perlen geht der Weisheit Besitz.
19 Der Topas von Kusch kommt ihr nicht gleich / und reinstes Gold wiegt sie nicht auf.
20 Die Weisheit aber, wo kommt sie her / und wo ist der Ort der Einsicht?
21 Verhüllt ist sie vor aller Lebenden Auge, / verborgen vor den Vögeln des Himmels.
22 Abgrund und Tod sagen: / Unser Ohr vernahm von ihr nur ein Raunen.
23 Gott ist es, der den Weg zu ihr weiß, / er ist es, der ihren Ort kennt.
24 Denn er blickt bis hin zu den Enden der Erde; / was unter dem All des Himmels ist, sieht er.
25 Als er dem Wind sein Gewicht schuf / und die Wasser nach Maß bestimmte,
26 als er dem Regen das Gesetz schuf / und einen Weg dem Donnergewölk,
27 damals hat er sie gesehen und gezählt, / sie festgestellt und erforscht.
28 Zum Menschen aber sprach er: / Sieh, die Furcht des Herrn, das ist Weisheit, / das Meiden des Bösen ist Einsicht.
29
Gesegnete Vergangenheit: 29,1–25
1 Dann setzte Ijob seine Rede fort und sprach:
2 Dass ich doch wäre / wie in längst vergangenen Monden, / wie in den Tagen, da mich Gott beschirmte,
3 als seine Leuchte über meinem Haupt erstrahlte, / in seinem Licht ich durch das Dunkel ging.
4 So, wie ich in den Tagen meiner Frühzeit war, / als Gottes Freundschaft über meinem Zelte stand,
5 als der Allmächtige noch mit mir war, / meine Kinder mich umgaben,
6 als meine Schritte sich in Milch gebadet, / Bäche von Öl der Fels mir ergoss.
7 Ging ich durchs Tor zur Stadt hinauf, / ließ ich auf dem Platz meinen Sitz aufstellen;
8 sahen mich die Jungen, so traten sie scheu beiseite, / die Alten standen auf und blieben stehen.
9 Fürsten hielten mit Reden sich zurück / und legten ihre Hand auf ihren Mund.
10 Der Edlen Stimme blieb stumm, / am Gaumen klebte ihre Zunge.
11 Hörte mich ein Ohr, pries es mich glücklich, / das Auge, das mich sah, stimmte mir zu.
12 Denn ich rettete den Armen, der schrie, / die Waise, die ohne Helfer war.
13 Der Segen des Verlorenen kam über mich / und jubeln ließ ich der Witwe Herz.
14 Ich bekleidete mich mit Gerechtigkeit, / wie Mantel und Kopfbund umhüllte mich mein Recht.
15 Auge war ich für den Blinden, / dem Lahmen wurde ich zum Fuß.
16 Vater war ich für die Armen, / des Unbekannten Rechtsstreit prüfte ich.
17 Ich zerschmetterte des Bösen Kiefer, / entriss die Beute seinen Zähnen.
18 So dachte ich: Mit meinem Nest werde ich verscheiden / und gleich dem Phönix meine Tage mehren.
19 Meine Wurzel reiche bis an das Wasser, / Tau nächtige auf meinen Zweigen.
20 Neu bleibe mir meine Ehre, / mein Bogen verjünge sich in meiner Hand.
21 Auf mich hörten sie und warteten, / sie lauschten schweigend meinem Rat.
22 Nachdem ich gesprochen, ergriff keiner das Wort, / es träufelte nieder auf sie meine Rede.
23 Sie harrten auf mich wie auf Regen, / sperrten den Mund wie nach Spätregen auf.
24 Lächelte ich denen zu, die ohne Vertrauen, / sie wiesen das Leuchten meines Gesichts nicht ab.
25 Ich bestimmte ihr Tun, ich saß als Haupt, / thronte wie ein König inmitten der Schar, wie einer, der Trauernde tröstet.
30
Schreckliche Gegenwart: 30,1–31
1 Jetzt aber lachen über mich, / die jünger sind als ich an Tagen, / deren Väter ich nicht für wert geachtet, / sie bei den Hunden meiner Herde anzustellen.
2 Was sollte mir auch ihrer Hände Kraft? / Geschwunden war ihre Rüstigkeit
3 durch Mangel und durch harten Hunger; / Leute, die das dürre Land abnagen, / das Gras der Wüste und der Wüstenei.
4 Sie pflücken Salzmelde im Gesträuch / und Ginsterwurzeln sind ihr Brot.
5 Aus der Gemeinschaft wurden sie verjagt; / man schreit ihnen nach wie einem Dieb.
6 Am Hang der Täler müssen sie wohnen, / in Erdhöhlen und in Felsgeklüft.
7 Zwischen Sträuchern schreien sie kläglich, / drängen sich zusammen unter wildem Gestrüpp.
8 Gemeine Leute, Leute ohne Namen, / sie wurden aus dem Land hinausgepeitscht.
9 Jetzt aber bin ich ihr Spottlied, / bin zum Klatsch für sie geworden.
10 Sie verabscheuen mich, rücken weit von mir weg, / scheuen sich nicht, mir ins Gesicht zu spucken.
11 Denn er löste meines Bogens Sehne und beugte mich nieder, / sie aber ließen die Zügel vor mir schießen.
12 Zur rechten Seite erhebt sich eine Schar, / treibt meine Füße weg, / wirft gegen mich ihre Unheilsdämme auf.
13 Meinen Pfad reißen sie auf, helfen zu meinem Verderben / und niemand wehrt ihnen.
14 Wie durch eine breite Bresche kommen sie heran, / wälzen sich unter Trümmern heran.
15 Schrecken stürzen auf mich ein, / verjagt wie vom Wind ist mein Ansehen, / wie eine Wolke entschwand mein Heil.
16 Und nun zerfließt meine Seele in mir, / des Elends Tage packen mich an.
17 Des Nachts durchbohrt es mir die Knochen, / mein nagender Schmerz kommt nicht zur Ruh.
18 Mit Allgewalt packt er mich am Kleid, / schnürt wie der Gürtel des Rocks mich ein.
19 Er warf mich in den Lehm, / sodass ich Staub und Asche gleiche.
20 Ich schreie zu dir und du antwortest mir nicht; / ich stehe da, doch du achtest nicht auf mich.
21 Du wandelst dich zum grausamen Feind gegen mich, / mit deiner starken Hand befehdest du mich.
22 Du hebst mich in den Wind, fährst mich dahin, / lässt mich zergehen im Sturmgebraus.
23 Ja, ich weiß, du führst mich zum Tod, / zur Sammelstätte aller Lebenden.
24 Doch nicht an Trümmer legt er die Hand. - / Schreit man nicht um Hilfe beim Untergang?
25 Weinte ich nicht um den, der harte Tage hatte, / grämte sich nicht meine Seele über den Armen?
26 Ja, ich hoffte auf Gutes, doch Böses kam, / ich harrte auf Licht, doch Finsternis kam.
27 Mein Inneres kocht und kommt nicht zur Ruhe, / mich haben die Tage des Elends erreicht.
28 Trauernd gehe ich einher, ohne wärmende Sonne, / ich stehe auf in der Versammlung, schreie laut.
29 Den Schakalen wurde ich zum Bruder, / den Straußenhennen zum Freund.
30 Meine Haut ist schwarz, / von Fieberglut brennen meine Knochen.
31 Zur Trauer wurde mein Harfenspiel, / mein Flötenspiel zum Klagelied.
31
Erneute Unschuldsbeteuerung vor Gott: 31,1–34
1 Einen Bund schloss ich mit meinen Augen, / nie eine Jungfrau lüstern anzusehen.
2 Was wäre sonst mein Teil von Gott dort oben, / mein Erbe vom Allmächtigen in der Höhe?
3 Ist nicht Verderben dem Frevler bestimmt / und Missgeschick den Übeltätern?
4 Sieht er denn meine Wege nicht, / zählt er nicht alle meine Schritte?
5 Wenn ich in Falschheit einherging, / wenn zum Betrug mein Fuß eilte,
6 dann wäge Gott mich auf gerechter Waage, / so wird er meine Unschuld anerkennen.
7 Wenn mein Schritt vom Wege wich, / mein Herz meinen Augen folgte, / an meinen Händen Makel klebte,
8 dann esse ein anderer, was ich säe, / entwurzelt werde, was mir sprosst.
9 Wenn sich mein Herz von einer Frau betören ließ / und ich an der Tür meines Nachbarn lauerte,
10 dann mahle meine Frau einem andern / und andere sollen sich beugen über sie.
11 Denn das wäre eine Schandtat / und ein Verbrechen, von Richtern zu strafen.
12 Denn das wäre Feuer, das zum Abgrund frisst / und meine ganze Habe entwurzelt.
13 Wenn ich das Recht meines Knechts missachtet / und das meiner Magd im Streit mit mir,
14 was könnte ich tun, wenn Gott sich erhöbe, / was ihm entgegnen, wenn er mich prüfte?
15 Hat nicht er, der mich im Mutterleib gemacht hat, ihn gemacht, / hat nicht Einer uns im Mutterschoß geformt?
16 Wenn ich der Armen Wunsch versagte, / verschmachten ließ der Witwe Augen,
17 wenn ganz allein ich meinen Bissen aß, / das Waisenkind nicht davon aß -
18 von Jugend an hat wie ein Vater er mich großgezogen, / vom Mutterschoß an mich geleitet -,
19 wenn ich den Verlorenen sah ohne Kleid / und ohne Decke den Verarmten,
20 wenn seine Lenden mich nicht segneten, / er nicht von der Schur meiner Lämmer sich wärmte,
21 wenn meine Hand der Waise drohte, / weil ich am Tor Helfer für mich sah,
22 dann falle die Schulter mir vom Nacken, / breche der Arm mir aus dem Gelenk.
23 Ja, Schrecken träfe mich, Gottes Verderben, / vor seiner Hoheit hielte ich nicht stand.
24 Wenn ich auf Gold meine Hoffnung setzte, / zum Feingold sprach: Du meine Zuversicht!,
25 wenn ich mich freute, dass groß mein Vermögen, / dass viel erreicht hat meine Hand,
26 wenn ich die leuchtende Sonne sah, wie sie strahlte, / den Mond, wie er herrlich dahinzog,
27 wenn heimlich sich mein Herz betören ließ / und meine Hand dem Mund zum Kuss sich bot,
28 auch das wäre ein Verbrechen, vom Richter zu strafen, / denn Gott da droben hätte ich verleugnet.
29 Wenn ich am Unglück meines Feinds mich freute / und mich erhob, als das Unheil ihn traf -
30 habe ich doch meinem Mund zu sündigen verboten, / sein Leben mit Fluch zu verwünschen.
31 Wenn meine Zeltgenossen nicht gestanden: / Wer wurde von seinem Fleisch nicht gesättigt?
32 Kein Fremder musste draußen übernachten, / ich hielt meine Tore zur Straße hin offen.
33 Wenn ich nach Menschenart meine Frevel verhehlte, / meine Schuld verbarg in meiner Brust,
34 weil ich die große Menge scheute / und die Verachtung der Sippen mich schreckte, / so schwiege ich still und ginge nicht zur Tür hinaus.
Warten auf Gottes Antwort: 31,35–40
35 Gäbe es doch einen, der mich hört! / Hier ist mein Zeichen! Der Allmächtige antworte mir! / Hier ist das Schriftstück, das mein Gegner geschrieben.
36 Auf meine Schulter wollte ich es heben, / als Kranz es um den Kopf mir winden.
37 Ich täte die Zahl meiner Schritte ihm kund, / ich nahte mich ihm wie ein Fürst.
38 Wenn über mich mein Acker schrie, / seine Furchen miteinander weinten,
39 wenn seinen Ertrag ich verzehrte, ohne zu bezahlen, / das Verlangen seines Herrn ich unerfüllt ließ,
40 sollen Dornen wachsen statt Weizen, / statt Gerste stinkendes Kraut. Zu Ende sind die Worte Ijobs.
32
Einführung Elihus: 32,1–5
1 Nun hörten jene drei Männer auf, Ijob zu entgegnen, weil er gerecht war in seinen eigenen Augen.
2 Da entbrannte der Zorn Elihus, des Sohnes Barachels, des Busiters aus dem Geschlecht Ram. Gegen Ijob entbrannte sein Zorn, weil er sich für gerechter hielt als Gott.
3 Auch gegen seine drei Freunde entbrannte sein Zorn, weil sie keine Antwort mehr gefunden und Ijob schuldig gesprochen hatten.
4 Elihu aber hatte Ijob gegenüber mit Worten gezögert, weil jene älter waren als er.
5 Doch als Elihu sah, dass die drei Männer keine Antwort mehr wussten, entbrannte sein Zorn.
Elihus Selbstvorstellung: 32,6–22
6 Da ergriff Elihu, der Sohn Barachels, der Busiter, das Wort und sprach: Noch bin ich jung an Jahren, / doch ihr seid hochbetagt; / deshalb hielt ich mich zurück und scheute mich, / euch mein Wissen zu beweisen.
7 Ich dachte: Mag erst das Alter reden, / der Jahre Fülle Weisheit künden.
8 Jedoch, es ist der Geist im Menschen, / des Allmächtigen Hauch, der ihn verständig macht.
9 Nicht viele sind weise / noch Greise stets des Rechten kundig.
10 Darum sage ich: Hört mich an! / Beweisen will auch ich mein Wissen.
11 Seht, gewartet habe ich auf eure Worte, / gelauscht auf eure klugen Sprüche, / bis ihr die rechten Worte fändet.
12 Ich bin euch aufmerksam gefolgt, / doch seht, keiner hat Ijob widerlegt, / keiner von euch ihm zu entgegnen vermocht.
13 Sagt nicht: Wir haben die Weisheit gefunden. / Gott wird ihn vertreiben, nicht ein Mensch.
14 Nicht gegen mich richten sich seine Reden, / nicht mit euren Worten werde ich ihm entgegnen.
15 Besiegt sind sie, geben keine Antwort mehr, / die Worte sind ihnen ausgegangen.
16 Soll ich nun warten, wenn sie nicht reden, / wenn sie dastehen, nichts mehr zu sagen wissen?
17 So will auch ich nun meinen Teil erwidern, / beweisen will auch ich mein Wissen.
18 Denn angefüllt bin ich mit Worten, / mich drängt der Geist in meiner Brust.
19 Mein Inneres ist wie Wein, der keine Luft hat, / wie neue Schläuche muss es bersten.
20 Reden will ich, dann wird mir leichter, / ich öffne meine Lippen und entgegne.
21 Ich will für niemanden Partei ergreifen / und keinem Menschen schmeicheln.
22 Denn ich verstehe mich nicht aufs Schmeicheln, / sonst raffte mich mein Schöpfer bald hinweg.
33
Zusammenfassung der Argumente Ijobs: 33,1–13
1 Du aber, Ijob, hör doch auf meine Rede, / all meinen Worten leih dein Ohr!
2 Siehe doch, ich habe meinen Mund geöffnet, / schon spricht am Gaumen meine Zunge.
3 Aus aufrichtigem Herzen kommen meine Worte, / lautere Weisheit reden meine Lippen.
4 Gottes Geist hat mich erschaffen, / der Atem des Allmächtigen mir das Leben gegeben.
5 Wenn du kannst, erwidere mir! / Leg es mir vor und stell dich!
6 Schau, ich bin wie du vor Gott, / auch ich bin nur aus Lehm geformt.
7 Siehe, Furcht vor mir braucht dich nicht zu erschrecken, / Druck von mir nicht auf dir lasten.
8 Jedoch, du sprachst vor meinen Ohren / und ich vernahm der Worte Laut:
9 Rein bin ich und ohne Sünde, / makellos und ohne Schuld.
10 Seht, Vorwürfe sucht er gegen mich zu finden, / er sieht mich an als seinen Feind.
11 Meine Füße legt er in den Block, / er überwacht alle meine Pfade.
12 Sieh, da bist du nicht im Recht, sage ich dir, / denn Gott ist größer als der Mensch.
13 Warum hast du mit ihm gestritten, / dass er auf deine Worte keine Antwort gibt?
Gottes vielfältige Zeichen: 33,14–33
14 Denn einmal redet Gott / und zweimal, man achtet nicht darauf.
15 Im Traum, im Nachtgesicht, / wenn tiefer Schlaf auf die Menschen fällt, / im Schlummer auf dem Lager,
16 da öffnet er der Menschen Ohr / und schreckt sie auf durch Warnung,
17 um von seinem Tun den Menschen abzubringen, / den Hochmut aus dem Manne auszutreiben,
18 seine Seele vor dem Grab zu retten, / sein Leben davor, in den Todesschacht hinabzusteigen.
19 Er wird gemahnt durch Schmerz auf seinem Lager / und ständig ist Kampf in seinen Gliedern.
20 Am Brot verspürt sein Leben Ekel / und seine Seele an der Lieblingsspeise.
21 Es schwindet sein Fleisch, man sieht es nicht mehr. / Abgemagert bis auf die Knochen, / die man sonst nicht sieht.
22 Dem Grabe nähert sich seine Seele, / sein Leben den Todesboten.
23 Wenn dann ein Engel ihm zur Seite steht, / ein Mittler, einer von den Tausenden, / dem Menschen zu verkünden, was recht ist,
24 wenn dieser sich seiner erbarmt und spricht: / Erlös ihn, dass er nicht ins Grab hinabsteige, / Lösegeld habe ich für ihn gefunden!,
25 dann blüht sein Fleisch in Jugendfrische, / zu den Tagen seiner Jugend kehrt er zurück.
26 Betet er zu Gott, so ist er ihm gnädig, / er darf sein Angesicht schauen in festlichem Jubel. / Dem Menschen gibt er seine Gerechtigkeit wieder.
27 Er singt bei den Menschen und spricht: / Gesündigt hatte ich und das Recht verkehrt; / doch hat er mir nicht mit Gleichem vergolten.
28 Losgekauft hat er meine Seele vor dem Abstieg ins Grab, / mein Leben darf schauen das Licht.
29 Sieh, alles das pflegt Gott zu tun, / zweimal, ja dreimal mit dem Menschen,
30 um fernzuhalten seine Seele von dem Grab, / um ihm zu leuchten mit dem Licht des Lebens.
31 Merk auf, Ijob, hör mich an, / schweig still, dass ich rede!
32 Hast Worte du bereit, entgegne mir! / Sprich nur; denn gern gebe ich dir Recht.
33 Wenn aber nicht, hör du mich an! / Schweig still, damit ich dich Weisheit lehre!
34
Ijobs Verwegenheit: 34,1–9
1 Dann ergriff Elihu das Wort und sprach:
2 Ihr Weisen, hört meine Worte, / ihr Kundigen, leiht mir Gehör!
3 Denn das Ohr prüft die Worte / und der Gaumen schmeckt die Speise.
4 Lasst das Recht uns untersuchen, / erkennen unter uns, was gut ist!
5 Denn Ijob hat gesagt: Ich bin gerecht, / doch Gott hat mir mein Recht entzogen.
6 Meinem Recht zuwider soll ich lügen? / Unheilbar traf mich ohne Schuld der Pfeil.
7 Wo ist ein Mann wie Ijob, / der Lästerung wie Wasser trinkt,
8 der hingeht, um sich zu Übeltätern zu gesellen, / und mit den Frevlern Umgang pflegt?
9 Denn er hat gesagt: Es nützt dem Menschen nichts, / dass er in Freundschaft lebt mit Gott.
Gerechtes Handeln des Allmächtigen: 34,10–37
10 Darum hört mir zu, ihr Männer mit Verstand! / Fern ist es Gott, Unrecht zu tun, / und dem Allmächtigen, Frevel zu üben.
11 Nein, was der Mensch tut, das vergilt er ihm, / nach eines jeden Verhalten lässt er es ihn treffen.
12 Nein, wahrhaftig, nie tut Gott Unrecht / und der Allmächtige beugt nicht das Recht.
13 Wer hat ihm die Erde anvertraut / und wer den ganzen Erdkreis hingestellt?
14 Wenn er seinen Sinn auf ihn richtet, / seinen Geist und Atem zu sich holt,
15 muss alles Fleisch zusammen sterben, / der Mensch zum Staub zurückkehren.
16 Hast du Verstand, so höre dies, / lausche dem Laut meiner Worte!
17 Kann, wer das Recht hasst, Herrschaft führen? / Und willst du den Gerechten, den Erhabenen verklagen,
18 ihn, der zum König sagt: Du Nichtsnutz!, / zu Edelmännern: Bösewicht!,
19 der nicht auf Fürsten Rücksicht nimmt, / vornehm nicht vor arm begünstigt; / denn alle sind sie seiner Hände Werk.
20 Sie sterben plötzlich, mitten in der Nacht; / das Volk gerät in Aufruhr und sie müssen fort. / Starke müssen weichen, / ohne dass eine Hand sich rührt.
21 Denn seine Augen schauen auf des Menschen Wege, / alle seine Schritte sieht er wohl.
22 Keine Finsternis gibt es, keinen Todesschatten, / wo sich die Übeltäter bergen könnten.
23 Denn dem Menschen setzt er keine Frist, / zu Gott ins Gericht zu gehen.
24 Gewaltige knickt er ohne Verhör / und stellt andere an ihren Platz.
25 Wahrhaftig, er kennt ihre Taten, / er stürzt sie bei Nacht und sie werden zermalmt.
26 Wie Frevler schlägt er sie / an einem Ort, wo man es sieht,
27 weil sie von ihm wichen, / nicht achteten auf alle seine Wege.
28 So lässt er des Armen Geschrei zu sich kommen, / er hört das Geschrei der Gebeugten.
29 Hält er sich still, wer spricht ihn schuldig? / Verbirgt er sein Gesicht, wer nimmt ihn wahr? / Über Volk und Mensch wacht er zugleich,
30 damit nicht ein ruchloser Mensch König wird, / dem Volk zur Falle.
31 Denn nicht ist es an Gott, zu sagen: / Geirrt habe ich, ich mache es nicht wieder falsch.
32 Was ich nicht sehe, lehre du mich! / Tat ich Unrecht, ich will es nicht mehr tun.
33 Soll er nach deinem Sinn vergelten, / weil du verwirfst? So musst ja du entscheiden, nicht ich, / und was du weißt, das sage an!
34 Verständige Männer werden zu mir sagen, / ein jeder Weise, der mich hört:
35 Ohne Wissen redet Ijob, / seinen Worten fehlt es an Verständnis.
36 Wohlan, weiter werde Ijob geprüft, / weil er nach der Frevler Art erwidert.
37 Denn Auflehnung fügt er seiner Sünde noch hinzu, / in unserer Mitte höhnt er laut, / mehrt seine Worte gegen Gott.
35
Gottes Erhabenheit: 35,1–8
1 Dann ergriff Elihu das Wort und sprach:
2 Hältst du es für richtig, / dass du sagst: Ich bin gerechter als Gott,
3 dass du fragst, was es dir nützt, und sagst: / Was habe ich davon, dass ich nicht sündige?
4 Ich will mit Worten dir erwidern / und deinen Freunden auch mit dir.
5 Schau den Himmel an und sieh, / blick zu den Wolken auf hoch über dir!
6 Wenn du gesündigt hast, was schadest du ihm, / sind zahlreich deine Frevel, was machst du mit ihm?
7 Tust du Recht, was gibst du ihm / oder was empfängt er aus deiner Hand?
8 Einen Mann wie dich trifft dein Frevel, / dein Gerechtsein nur den Menschen.
Gottes Langmut: 35,9–16
9 Sie schreien über der Bedrücker Menge, / rufen um Hilfe unter dem Arm der Großen.
10 Doch keiner fragt: Wo ist Gott, mein Schöpfer, / der Loblieder schenkt bei Nacht,
11 der uns mehr lehrt als die Tiere der Erde / und uns weiser macht als die Vögel des Himmels?
12 Dort schreien sie und doch antwortet er nicht / wegen des Übermuts der Bösen.
13 Wahrhaftig umsonst, Gott hört es nicht / und der Allmächtige achtet nicht darauf.
14 Gar wenn du sagst, du sähest ihn nicht - / das Gericht steht bei ihm, du aber harre auf ihn!
15 Jetzt aber, da sein Zorn nicht straft / und er nicht groß des Frevels achtet,
16 reißt Ijob sinnlos seinen Mund auf, / macht große Worte im Unverstand.
36
Krankheit und Leid als Weg zu Gott: 36,1–21
1 Dann fuhr Elihu fort und sprach:
2 Warte ein wenig, ich will es dir künden, / ich habe für Gott noch mehr zu sagen.
3 Ich trage mein Wissen weit hinaus, / meinem Schöpfer verschaffe ich Recht.
4 Denn wahrhaftig, meine Worte sind kein Trug, / ein Mann vollkommenen Wissens steht vor dir.
5 Sieh, Gott ist gewaltig, er verwirft nicht, / gewaltig ist die Kraft seines Herzens.
6 Den Frevler lässt er nicht am Leben, / doch den Gebeugten schafft er Recht.
7 Er wendet seine Augen nicht von dem Gerechten; / Könige auf dem Thron: / für immer setzt er sie ein, sie werden groß.
8 Doch sind in Fesseln sie geschlagen, / gefangen in des Elends Stricken,
9 so hält er ihnen ihr Tun vor / und ihre Vergehen, weil sie stolz geworden.
10 Er öffnet ihr Ohr zur Warnung, / fordert sie auf, vom Bösen zu lassen.
11 Wenn sie hören und ihm dienen, / vollenden sie im Glück ihre Tage, / in Wonnen ihre Jahre.
12 Hören sie nicht, / so fahren sie zum Todesschacht hinab, / verscheiden im Unverstand.
13 Ruchlos Gesinnte hegen Groll, / schreien nicht um Hilfe, wenn er sie fesselt.
14 Schon in der Jugend muss ihre Seele sterben, / ihr Leben im Alter von Geweihten.
15 Den Geplagten rettet er durch seine Plage / und öffnet durch Bedrängnis sein Ohr.
16 Auch dich hat er aus dem Rachen der Bedrängnis gelockt, / in Weite stehst du, nicht in Enge, / voll ist dein Tisch von fetten Speisen.
17 Das Gericht über den Frevler hat sich an dir erfüllt, / Gericht und Urteil haben zugefasst.
18 Zornglut verführe dich nicht beim Schicksalsschlag / und reiches Lösegeld verleite dich nicht.
19 Wird dein Schreien aus der Not dich führen / und alle Anstrengungen voll Kraft?
20 Sehne nicht die Nacht herbei, / in der Völker hinaufsteigen von ihrer Stätte!
21 Hüte dich und wende dich nicht zum Bösen! / Denn du wirst durch Leid geprüft.
Über Gottes Größe: 36,22–37,13
22 Sieh, groß ist Gott in seiner Macht. / Wer ist ein Lehrer wie er?
23 Wer will ihm weisen seinen Weg? / Wer kann ihm sagen: Du tust Unrecht?
24 Denk daran, hoch sein Werk zu preisen, / von dem die Menschen Lieder singen.
25 Alle Welt schaut es, / von ferne nur erblickt es der Mensch.
26 Sieh, Gott ist groß, wir begreifen ihn nicht, / unerforschlich ist die Zahl seiner Jahre.
27 Denn er zieht die Wassertropfen herauf, / als Regen ergießen sie sich aus dem Dunst.
28 Durch ihn rieseln die Wolken, / träufeln nieder auf die vielen Menschen.
29 Wer gar versteht der Wolke Schweben, / den Donnerhall aus seinem Zelt?
30 Sieh, darüber breitet er sein Licht / und deckt des Meeres Wurzeln zu.
31 Denn damit richtet er die Völker, / gibt Speise in reicher Fülle.
32 Mit Licht füllt er beide Hände, / bietet sie auf gegen den, der angreift.
33 Ihn kündigt an sein lauter Schall, / wenn er im Zorn gegen den Frevel eifert.
37
ERSTE REDE DES HERRN: 38,1–40,2
1 Darum erbebt mein Herz sehr heftig, / will mir von seiner Stelle springen.
2 Hört, hört das Toben seiner Stimme, / welch ein Grollen seinem Mund entfährt!
3 Unter dem ganzen Himmel lässt er es los / und sein Licht über die Säume der Erde.
4 Hinter ihm brüllt der Donner drein, / er dröhnt mit erhabener Stimme. Nicht hält er sie zurück, / wenn sein Donner gehört wird.
5 Gott dröhnt mit seiner Stimme, wunderbar, / tut große Dinge, wir verstehen sie nicht:
6 Dem Schnee befiehlt er: Fall zur Erde!, / dem Regenschwall, seinen mächtigen Güssen.
7 Er versiegelt die Hand aller Menschen, / sodass alle Welt sein Tun erkennt.
8 Die Tiere verkriechen sich in ihr Versteck, / sie lagern in ihren Höhlen.
9 Aus seiner Kammer kommt der Sturm, / von den Winden des Nordens die Kälte.
10 Durch Gottes Hauch macht er das Eis, / liegt starr des Wassers Fläche.
11 Auch belädt er das Gewölk mit Nass, / streut umher die leuchtenden Wolken.
12 Sie ziehen hin und her, wie er sie lenkt, / um alles, was er ihnen gebietet, / zu wirken auf dem Kreis der Erde.
13 Sei es als Zuchtrute für seine Erde, / sei es als Erweis seiner Huld, / so lässt er sie treffen.
Über die Furcht Gottes: 37,4–24
14 Hör dir dies an, Ijob! Steh still, / um die Wunder Gottes zu betrachten!
15 Weißt du, wie Gott ihnen Auftrag gibt, / wie das Licht seiner Wolke aufstrahlt?
16 Weißt du um der Wolke Schweben, / um die Wunderwerke des Allwissenden?
17 Du, dem die Kleider vor Hitze glühen, / wenn die Erde unter dem Südwind liegt,
18 wölbst du gleich ihm das Wolkenfirmament, / das fest ist wie ein gegossener Spiegel?
19 Lehre du uns, was wir ihm sagen sollen! / Nichts können wir vorbringen wegen der Finsternis.
20 Muss man ihm erst erzählen, wenn ich rede? / Muss es erst einer sagen, / dass es ihm mitgeteilt wird?
21 Und nun, wenn man das Licht nicht sieht, / ist es verdunkelt durch die Wolken, / ein Wind bläst und fegt sie weg.
22 Vom Norden naht ein goldener Glanz, / um Gott her ist Furcht erregende Herrlichkeit.
23 Den Allmächtigen ergründen wir nicht, / er ist erhaben an Macht und Recht, / er ist reich an Gerechtigkeit; Recht beugt er nicht.
24 Darum sollen die Menschen ihn fürchten. / Keinen sieht er an, wie weise sie auch sind.
38
Frage und Herausforderung: 38,1–3
1 Da antwortete der HERR dem Ijob aus dem Wettersturm und sprach:
2 Wer ist es, der den Ratschluss verdunkelt / mit Gerede ohne Einsicht?
3 Auf, gürte deine Lenden wie ein Mann: / Ich will dich fragen, du belehre mich!
Schöpfung und ihre Ordnung: 38,4–38
4 Wo warst du, als ich die Erde gegründet? / Sag es denn, wenn du Bescheid weißt!
5 Wer setzte ihre Maße? Du weißt es ja. / Wer hat die Messschnur über sie gespannt?
6 Wohin sind ihre Pfeiler eingesenkt? / Oder wer hat ihren Eckstein gelegt,
7 als alle Morgensterne jauchzten, / als jubelten alle Gottessöhne?
8 Wer verschloss das Meer mit Toren, / als schäumend es dem Mutterschoß entquoll,
9 als Wolken ich zum Kleid ihm machte, / ihm zur Windel dunklen Dunst,
10 als ich ihm ausbrach meine Grenze, / ihm Tor und Riegel setzte
11 und sprach: Bis hierher darfst du und nicht weiter, / hier muss sich legen deiner Wogen Stolz?
12 Hast du je in deinem Leben dem Morgen geboten, / der Morgenröte ihren Ort bestimmt,
13 dass es der Erde Säume fasse / und die Frevler von ihr abgeschüttelt werden?
14 Sie wandelt sich wie Siegelton, / steht da wie ein Gewand.
15 Den Frevlern wird ihr Licht entzogen, / zerschmettert der erhobene Arm.
16 Bist du zu den Quellen des Meeres gekommen, / hast du des Urgrunds Tiefe durchwandert?
17 Haben dir sich die Tore des Todes geöffnet, / hast du die Tore des Todesschattens geschaut?
18 Hast du der Erde Weiten überblickt? / Sag es, wenn du das alles weißt!
19 Wo ist der Weg zur Wohnstatt des Lichts? / Die Finsternis, wo hat sie ihren Ort,
20 dass du sie einführst in ihren Bereich, / die Pfade zu ihrem Haus kennst?
21 Du weißt es ja; du wurdest damals ja geboren / und deiner Tage Zahl ist groß!
22 Bist du zu den Kammern des Schnees gekommen, / hast du die Kammern des Hagels gesehen,
23 den ich für Zeiten der Drangsal aufgespart, / für den Tag des Kampfes und der Schlacht?
24 Wo ist der Weg dorthin, wo das Licht sich verteilt, / der Ostwind sich über die Erde zerstreut?
25 Wer grub der Regenflut eine Rinne, / einen Weg für das Donnergewölk,
26 um Regen zu senden auf unbewohntes Land, / auf die Steppe, darin niemand wohnt,
27 um zu sättigen die Wildnis und Öde / und frisches Gras sprossen zu lassen?
28 Hat der Regen einen Vater / oder wer zeugte die Tropfen des Taus?
29 Aus wessen Schoß ging das Eis hervor, / des Himmels Reif, wer hat ihn geboren?
30 Wie unter einem Stein verbergen sich die Wasser / und wird fest die Fläche der Flut.
31 Knüpfst du die Bande des Siebengestirns / oder löst du des Orions Fesseln?
32 Führst du heraus Sterne des Tierkreises zu seiner Zeit, / lenkst du die Löwin samt ihren Jungen?
33 Kennst du die Satzungen des Himmels, / setzt du auf der Erde seine Herrschaft durch?
34 Erhebst du zu den Wolken deine Stimme, / dass dich die Woge des Wassers bedeckt?
35 Entsendest du die Blitze, dass sie eilen / und dir sagen: Wir sind da?
36 Wer verlieh dem Ibis Weisheit / oder wer gab Einsicht dem Hahn?
37 Wer zählt in Weisheit die Wolken / und die Schläuche des Himmels, wer schüttet sie aus,
38 wenn der Erdboden hart wird, als sei er gegossen, / und Erdschollen zusammenkleben?
Gott als Herr der Tiere: 38,39–39,30
39 Erjagst du Beute für die Löwin, / stillst du den Hunger der jungen Löwen,
40 wenn sie sich in Höhlen ducken, / im Dickicht auf der Lauer liegen?
41 Wer bereitet dem Raben seine Nahrung, / wenn seine Jungen schreien zu Gott und umherirren ohne Futter?
39
1 Kennst du der Steinböcke Wurfzeit, / überwachst du das Werfen der Hirsche?
2 Zählst du die Monde, die tragend sie füllen, / kennst du die Zeit ihres Wurfs?
3 Sie kauern sich, werfen ihre Jungen, / werden los ihre Wehen.
4 Ihre Jungen erstarken, wachsen im Freien, / laufen hinaus und kehren nicht zu ihnen zurück.
5 Wer hat den Wildesel freigelassen, / des wilden Esels Fesseln, wer schloss sie auf?
6 Ich gab ihm zur Behausung die Steppe, / zu seiner Wohnung die salzige Trift.
7 Er verlacht das Lärmen der Stadt, / hört nicht des Treibers Geschrei.
8 Die Berge sucht er nach Weide ab, / jeglichem Grün spürt er nach.
9 Wird dir der Wildstier dienen wollen, / bleibt er an deiner Krippe zur Nacht?
10 Hältst du am Seil ihn in der Furche, / pflügt er die Täler hinter dir her?
11 Traust du ihm, weil er so stark ist? / Überlässt du ihm deine Arbeit?
12 Glaubst du ihm, dass er wiederkommt / und deine Saat auf die Tenne bringt?
13 Fröhlich schlägt die Straußenhenne mit den Flügeln. / Ist ihre Schwinge so / wie die des Storches und Falken?
14 Nein, sie gibt der Erde ihre Eier preis, / lässt sie erwärmen im Sand,
15 vergisst, dass sie ein Fuß zerdrücken, / das Wild des Feldes sie zertreten kann.
16 Sie behandelt ihre Jungen hart wie Fremde; / war umsonst ihre Mühe, es erschreckt sie nicht.
17 Denn Gott ließ sie Weisheit vergessen, / gab ihr an Einsicht keinen Teil.
18 Im Augenblick aber, da sie hochschnellt, / verlacht sie Ross und Reiter.
19 Gabst du dem Ross die Heldenstärke, / kleidest du mit einer Mähne seinen Hals?
20 Lässt du wie die Heuschrecke es springen? / Furchtbar ist sein stolzes Wiehern.
21 Es scharrt im Tal und freut sich seiner Kraft, / es zieht aus, den Waffen entgegen.
22 Es spottet der Furcht und hat keine Angst / und kehrt nicht um vor dem Schwert.
23 Über ihm klirrt der Köcher, / blitzen Speer und Sichelschwert.
24 Mit Donnerbeben wirbelt es den Staub auf, / steht nicht still beim Klang des Horns.
25 Sooft das Horn ertönt, wiehert es hui / und wittert den Kampf schon von Weitem, / der Anführer Lärm und das Geschrei.
26 Kommt es von deiner Einsicht, / dass der Falke sich aufschwingt / und nach Süden seine Flügel ausbreitet?
27 Fliegt auf dein Geheiß der Geier empor / und baut seinen Horst in der Höhe?
28 Auf Felsen wohnt und nächtigt er, / auf der Felsenzacke und an steiler Wand.
29 Von dort erspäht er die Beute, / seine Augen schauen ins Weite.
30 Nach Blut gieren seine Jungen; / wo Erschlagene sind, ist er zur Stelle.
40
Schluss der Rede: 40,1–2
1 Da antwortete der HERR dem Ijob und sprach:
2 Mit dem Allmächtigen will der Tadler rechten? / Wer Gott anklagt, der antworte nun!
IJOBS ANTWORT: 40,3–5
3 Da antwortete Ijob dem HERRN und sprach:
4 Siehe, ich bin zu gering. Was kann ich dir erwidern? / Ich lege meine Hand auf meinen Mund.
5 Einmal habe ich geredet, doch ich werde nicht antworten; / ein zweites Mal, doch ich fahre nicht fort!
Einleitung: 40,6–7
6 Da antwortete der HERR dem Ijob aus dem Wettersturm und sprach:
7 Auf, gürte deine Lenden wie ein Mann! / Ich will dich fragen, du belehre mich!
Problem der Gerechtigkeit: 40,8–14
8 Willst du wirklich mein Recht brechen, / mich schuldig sprechen, damit du Recht behältst?
9 Hast du denn einen Arm wie Gott, / dröhnst du wie er mit Donnerstimme?
10 Schmücke dich doch mit Hoheit und Majestät / und kleide dich in Prunk und Pracht!
11 Lass die Fluten deines Zornes sich ergießen, / schau an jeden Stolzen, demütige ihn!
12 Schau an jeden Stolzen, zwing ihn nieder! / Zertritt die Frevler auf der Stelle!
13 Verbirg sie insgesamt im Staub, / schließ ihre Gesichter im Verborgenen ein!
14 Dann werde auch ich dich preisen, / weil deine Rechte den Sieg dir verschaffte.
Gottes Kampf gegen das Böse: 40,15–41,26
15 Sieh doch das Nilpferd, das ich wie dich erschuf. / Gras frisst es wie ein Rind.
16 Sieh doch die Kraft in seinen Lenden / und die Stärke in den Muskeln seines Leibes!
17 Aufgerichtet wie eine Zeder ist sein Schwanz, / straff sind verflochten seiner Schenkel Sehnen.
18 Seine Knochen sind Röhren aus Bronze, / wie Eisenstangen sein Gebein.
19 Es ist der Anfang der Wege Gottes; / der es gemacht hat, gab ihm sein Schwert.
20 Doch die Berge tragen ihm Futter zu / und alle Tiere des Feldes spielen dort.
21 Es lagert unter Lotusbüschen, / im Versteck von Schilf und Sumpf.
22 Lotusbüsche spenden ihm Schatten, / die Pappeln am Fluss umgeben es.
23 Wenn auch der Fluss anschwillt, es zittert nicht, / es bleibt ruhig, wenn auch die Flut ihm ins Maul dringt.
24 Kann man an den Augen es fassen, / mit Haken ihm die Nase durchbohren?
25 Kannst du das Krokodil am Angelhaken ziehen, / mit der Leine seine Zunge niederdrücken?
26 Legst du ein Binsenseil ihm in die Nase, / durchbohrst du mit einem Haken seine Backe?
27 Fleht es dich groß um Gnade an? / Richtet es zärtliche Worte an dich?
28 Schließt es einen Bund mit dir, / dass du es nehmen kannst zum Knecht für immer?
29 Kannst du mit ihm wie mit einem Vogel spielen, / bindest du es für deine Mädchen an?
30 Feilschen darum die Jagdgenossen, / verteilen sie es stückweise unter die Händler?
31 Kannst du seine Haut mit Spießen spicken, / mit einer Fischharpune seinen Kopf?
32 Leg nur einmal deine Hand daran! / Denk an den Kampf! Du tust es nie mehr.
41
1 Sieh, das Hoffen darauf wird enttäuscht; / sein bloßer Anblick bringt zu Fall.
2 So kühn ist keiner, es zu reizen; / wer könnte mir wohl trotzen?
3 Wer ist mir je entgegengetreten, dass ich ihm etwas zurückgeben müsste? / Alles unter dem Himmel ist mein.
4 Ich will nicht schweigen von seinen Gliedern, / von seiner Kraft und Größe, von seiner gefälligen Gestalt.
5 Wer hat die Hülle seines Kleides aufgedeckt, / wer ist eingedrungen in seinen Doppelpanzer?
6 Wer hat die Tore seines Gesichts geöffnet? / Rings um seine Zähne lagert Schrecken.
7 Sein schützender Panzer ist sein Stolz, / verschlossen mit Siegel aus Kieselstein.
8 Einer reiht sich an den andern, / kein Lufthauch dringt zwischen ihnen durch.
9 Fest haftet jeder an dem andern, / sie sind verklammert, lösen sich nicht.
10 Sein Niesen lässt Licht aufleuchten; / seine Augen sind wie die Lider der Morgenröte.
11 Aus seinem Maul fahren brennende Fackeln, / feurige Funken schießen hervor.
12 Rauch dampft aus seinen Nüstern / wie aus kochendem, heißem Topf.
13 Sein Atem entflammt glühende Kohlen, / eine Flamme schlägt aus seinem Maul hervor.
14 Stärke wohnt in seinem Nacken, / vor ihm tanzt die bange Furcht.
15 Straff liegt seines Wanstes Fleisch, / wie angegossen, unbewegt.
16 Sein Herz ist fest wie Stein, / fest wie der untere Mühlstein.
17 Erhebt es sich, erschrecken selbst die Göttlichen; / vor Schrecken wissen sie nicht aus noch ein.
18 Trifft man es, kein Schwert hält stand, / nicht Lanze noch Geschoss und Pfeil.
19 Eisen achtet es wie Stroh, / Bronze wie morsch gewordenes Holz.
20 Kein Bogenpfeil wird es verjagen, / in Stoppeln verwandeln sich ihm / die Steine der Schleuder.
21 Wie Stoppeln dünkt ihm die Keule, / es lacht nur über das Gerassel des Sichelschwerts.
22 Sein Unteres sind Scherbenspitzen; / einen Dreschschlitten zieht es über den Schlamm.
23 Die Tiefe lässt es brodeln wie den Kessel, / macht das Meer zu einem Salbentopf.
24 Es hinterlässt eine leuchtende Spur; / man meint, die Flut sei graues Haar.
25 Auf Erden gibt es seinesgleichen nicht, / gemacht, um sich nie zu fürchten.
26 Alles Hohe blickt es an, / König ist es über alle Stolzen.
42
IJOBS ERKENNTNIS: 42,1–6
1 Da antwortete Ijob dem HERRN und sprach:
2 Ich habe erkannt, dass du alles vermagst. / Kein Vorhaben ist dir verwehrt.
3 Wer ist es, der ohne Einsicht den Rat verdunkelt? - / Fürwahr, ich habe geredet, ohne zu verstehen, über Dinge, / die zu wunderbar für mich und unbegreiflich sind.
4 Hör doch, ich will nun reden, / ich will dich fragen, du belehre mich!
5 Vom Hörensagen nur hatte ich von dir gehört, / jetzt aber hat mein Auge dich geschaut.
6 Darum widerrufe ich. / Ich bereue in Staub und Asche.
Ijobs Rechtfertigung durch Gott: 42,7–9
7 Als der HERR diese Worte zu Ijob gesprochen hatte, sagte der HERR zu Elifas von Teman: Mein Zorn ist entbrannt gegen dich und deine beiden Freunde, denn ihr habt nicht recht von mir geredet wie mein Knecht Ijob.
8 So nehmt nun sieben Jungstiere und sieben Widder, geht hin zu meinem Knecht Ijob und bringt ein Brandopfer für euch dar! Mein Knecht Ijob aber soll für euch Fürbitte einlegen, denn auf ihn nehme ich Rücksicht, sodass ich euch nichts Schlimmes antue, denn ihr habt nicht recht von mir geredet wie mein Knecht Ijob.
9 Da gingen Elifas von Teman, Bildad von Schuach und Zofar von Naama hin und taten, was der HERR ihnen gesagt hatte. Und der HERR nahm Rücksicht auf Ijob.
Ijobs neues Glück: 42,10–17
10 Der HERR wendete das Geschick Ijobs, als er für seinen Freund Fürbitte einlegte, und der HERR mehrte den Besitz Ijobs auf das Doppelte.
11 Da kamen zu ihm alle seine Brüder, alle seine Schwestern und alle seine früheren Bekannten und speisten mit ihm in seinem Haus. Sie bezeigten ihm ihr Mitleid und trösteten ihn wegen all des Unglücks, das der HERR über ihn gebracht hatte. Ein jeder schenkte ihm eine Kesita und einen goldenen Ring.
12 Der HERR aber segnete die spätere Lebenszeit Ijobs mehr als seine frühere. Er besaß vierzehntausend Schafe, sechstausend Kamele, tausend Joch Rinder und tausend Eselinnen.
13 Auch bekam er sieben Söhne und drei Töchter.
14 Die erste nannte er Jemima, Turteltaube, die zweite Kezia, Zimtblüte, und die dritte Keren-Happuch, Schminkhörnchen.
15 Man fand im ganzen Land keine schöneren Frauen als die Töchter Ijobs. Ihr Vater gab ihnen Erbbesitz unter ihren Brüdern.
16 Ijob lebte danach noch hundertvierzig Jahre und er sah seine Kinder und Kindeskinder, vier Generationen.
17 Dann starb Ijob, hochbetagt und satt an Lebenstagen.